Vier Pfoten Start mit Aktionismus: Der Besitzer einer Pelztierfarm griff erst zum Knüppel, dann zum Gewehr

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20 Jahre danach: "Heli" Dungler im Smoking

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Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" feierte - sehr pragmatisch - ihr 20-jähriges Bestehen - Von Roman David-Freihsl

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Wien - "Runter von mein' Dach, sonst schiaß i eich obe!", schrie der Mann und drückte tatsächlich ab. Der Besitzer der Pelztierfarm zielte an den Aktivisten vorbei und wurde von der Polizei festgenommen. Wenig später wurde sein Betrieb geschlossen. Zehn Jahre später musste dann auch die letzte Pelztierfarm in Österreich zusperren.

Und 20 Jahre später feierte die Tierschutzorganisation Vier Pfoten ihre ersten zwei Jahrzehnte. Doch wie vollkommen anders traten die einstigen Tierschutz-"Anarchos" am Dienstagabend im Naturhistorischen Museum auf: "Pfoten"-Gründer Helmut "Heli" Dungler begrüßte - wohl selbstironisch - im Smoking seine Gäste.

"Feinde" von damals

Darunter auch potenzielle "Feinde" von damals. Wie die Direktoren Dagmar Schratter und Harald Schwammer vom Tiergarten Schönbrunn - mit denen "Vier Pfoten" längst kooperiert.

Oder der steirische Fleisch-Großproduzent Karl Schirnhofer, der gemeinsam mit den Tierschützern ein System der möglichst optimalen Haltung von Almochsen entwickelte. Und der den zuliefernden Bauern im Gegenzug faire Preise garantiert. Manche Gratulanten im "Naturhistorischen" waren aber schon seit den Gründungsjahren dabei. Toni Hubmann etwa, mit seinen "Pfoten"-zertifizierten Freilandeiern.

Zu Beginn: Namenlose Aktionisten

In den 80-ern stand allerdings noch der wilde Aktionismus im Vordergrund. Da galt es auch, Legebatterien zu besetzen, da ließen sie sich im tschechischen Pardubice als Protest gegen die brutalen Pferderennen niederprügeln.

Ganz zu Beginn war das eine "kleine Gruppe ohne Namen", die im von der linken Szene frequentierten Café Phönixhof derartige Aktionen ausheckte. Bis sie vor einem dieser "Einsätze" beschlossen, dass sie endlich einen Namen für ihre Appelle bräuchten. Zu später Stunde einigten sie sich auf "Vier Pfoten" - damals noch mit dem Zusatz: "Bis wir etwas Besseres finden".

Erste "Positiv-Liste" für Kosmetika

Sieben Jahre nach der Gründung gab es 1995 einen neuen Akzent in der Aktionspolitik: Vier Pfoten veröffentlichte die erste "Positiv-Liste" für Kosmetika: Produkte, die garantiert ohne Tierversuche auf den Markt kamen.

Ein Bär im Hinterhof

Mitte der 90-er Jahre dann auch eine Kooperation, die den weiteren Weg vorgeben sollte: "Da hatte eine Bank ein Haus gekauft und im Hinterhof einen Bären entdeckt", erinnert sich Heli Dungler. "Die riefen uns an und wollten, dass wir das Tier abholen" - doch da stellten die Tierschützer erst Bedingungen: Wenn, dann wird gegenseitig geholfen.

1998 konnten dann die ersten drei Bären in den neuen Bärenpark im Waldviertler Arbesbach gebracht werden. Bärin Brumca tat sich erst schwer im riesigen Gehege: Wie im Hinterhof tappste sie weiter nur drei Schritte vor und drei zurück. Erst sieben Jahre später wussten sie endgültig, dass ihr Weg richtig gewesen war: Als sich Brumca erstmals eine Höhle für den Winterschlaf einrichtete.

Eine Hand wäscht die andere

Diese Strategie wurde immer öfter verfolgt: Eine Hand wäscht die andere - und beide das G'sicht. Bulgarien will Hilfe für verwaiste Tanzbären? Aber nur, wenn die Regierung per Gesetz den Auftritt von Tanzbären generell verbietet. Das jüngste Beispiel: Im Safaripark Gänserndorf blieben nach dem Konkurs ein paar Löwen über. Gleichzeitig wusste man europaweit nicht, was man mit ehemaligen Zirkus-Großkatzen tun soll. Schließlich gelingt es, in Südafrika das 1200 Hektar große Gelände namens "Lionsrock" zu eröffnen; eine Auffangstation für inzwischen 36 Löwen, einem Tiger, zwei Leoparden und zwei Karakals.

Die Globalisierung

Immer größer wurden die "Pfoten", immer internationaler - bis Dungler im Jahr 2003 schließlich "Vier Pfoten International" gründete - mit Länderbüros in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Bulgarien, Rumänien und den Niederlanden. Aus ehemaligen wilden Lokal-Aktionisten war eine global agierende Organisation geworden.

Vision einer Welt ohne Tierleid

Stand von Anfang an die "Vision einer Welt ohne Tierleid", wurde Dienstagabend im Museum pragmatisch gefeiert. Umringt von ausgestopften Tieren - und einem Büfett, auf dem sich auch Fleischliches fand. "Aus artgerechter Haltung", wie betont wurde. (Roman David-Freihsl/ DER STANDARD Printausgabe 6.3.2008)