Symbolik einer zerrütteten Partnerschaft: Kanzler Gusenbauer (SPÖ) tritt im Prunkraum auf, sein Vize Molterer (ÖVP) im Steinsaal.

Foto: Cremer

Rot-Schwarz ist, wenn man trotzdem lacht: Zwei Ministersprecher bei einer Partie „Mensch ärgere Dich nicht“.

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Eine kleine Pflegereform und Investitionen in die Infrastruktur machen noch keinen Koalitionsfrieden. Der Auftritt von SPÖ und ÖVP beim Ministerrat war von gegenseitigen Sticheleien begleitet.

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Wien – Man kann es Selbstironie nennen. Oder auch Galgenhumor. Mit einem „Mensch ärgere Dich nicht“-Spiel rückte am Mittwoch der Pressesprecher von Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) zum Ministerrat an, dem wöchentlichen Jour fixe der Regierung. Lang musste er nicht suchen, um einen Kollegen von der SPÖ als Gegner aufzutreiben. Zum Gaudium der Fotografen schlugen die beiden dann für ein paar Minuten rote und schwarze Männchen aus dem Feld.

Rot-schwarze Scharmützel

Nicht jeder fand das lustig. „Das alles ist kein Spiel. Wir sind zum Arbeiten da“, murrte ein anderer Sozialdemokrat. Ein Umstand, der glatt in Vergessenheit geraten konnte, angesichts der symbolischen Scharmützel und gegenseitigen Sticheleien, die sich die Koalitionäre im Kanzleramt lieferten.

Wie schon vor einer Woche traten Regierungschef Alfred Gusenbauer (SPÖ) und sein Vize Wilhelm Molterer (ÖVP) getrennt vor die Presse, um von ihrer Unterredung zu berichten. Weil ein gemeinsamer Auftritt nur Sinn ergebe, wenn die beiden Parteien auch gemeinsame Beschlüsse verkünden könnten, so Gusenbauers Argumentation. Und die stünden bei den Streitfragen Inflationsabgeltung und Steuerreform aus.

Die mittwöchlichen Solo-Auftritte könnten also noch einige Zeit andauern. Süffisanter Nachsatz des Kanzlers in Richtung Journalisten: „Damit bleibt es für uns alle spannend.“ Ob die ÖVP mit dieser Lösung glücklich sei? „An mich“, behauptete Gusenbauer, „wurden jedenfalls keine Beschwerden herangetragen.“

Gerne gemeinsam

Er wäre gerne gemeinsam aufgetreten, versicherte hingegen Vizekanzler Wilhelm Molterer. Die Sozialdemokraten hätten nie offen erklärt, warum sie nicht mehr gemeinsam auftreten wollten, erzählen ÖVPler und beschreiben das Ende der Ministerratssitzung so: Gusenbauer sei ohne Begründung für den Alleingang von dannen gezogen. Das Argument, es gäbe nichts zu verlautbaren, hält man bei den Schwarzen für fadenscheinig. „Wir sind schon nach dürreren Ministerräten voller Stolz vor die Presse getreten“, sagt einer.

Gemeinsam verkünden können hätten der Kanzler und sein Vize eine Neuerung bei der geförderten Rund-um-die-Uhr-Betreuung Pflegebedürftiger: Betreuern sind nun verschiedene Tätigkeiten – etwa Hilfe bei der Nahrungsaufnahme – erlaubt, die _ihnen bisher versagt blieben. Lob kommt von der Ärztekammer und den Patientenanwälten („Qualitätssteigerung“), Kritik von der Gewerkschaft, die eine Verdrängung von qualifiziertem Personal fürchtet. Beschlossen hat die Regierung auch die Ausweitung eines Bauprogramms für Straße und Bahn auf 18,8 Milliarden Euro.

Disput um Präsentation

Im Vorjahr hatten SPÖ und ÖVP das Vorläuferpaket noch gemeinsam angepriesen. Das fiel heuer wegen eines Disputs flach: Gusenbauer wollte einen Präsentationstermin vor dem Ministerrat, Molterer danach, also kam gar keiner zustande.

Der ÖVP-Vizekanzler erneuerte sein Nein zu einer vorgezogenen Steuerreform, sprach sich aber wie die SPÖ für eine Expertenkommission aus, die selbige vorbereiten soll. Eine konkrete Einigung der Koalition steht aber auch hier aus.

Kanzler Gusenbauer nützte seinen Alleinauftritt ausgiebig, um über die neuen Arbeitsmarktdaten zu referieren. Seit vergangenem März – also knapp nach seinem Amtsantritt – verzeichne das Land ein Plus von 100.000 Beschäftigten, was dem „stärksten Beschäftigungszuwachs seit 1955, also seit 53 Jahren“ gleichkomme. Gusenbauer erklärte den Erfolg mit den „wohltuenden Maßnahmen am Arbeitsmarkt“.

"Viel Spaß"

„Ich wünsche Gusenbauer viel Spaß bei seinen Einzelauftritten“, ätzte ein Schwarzer nach dem Pressefoyer. „Vor allem nächste Woche, wenn er alleine das Ergebnis der Niederösterreich-Wahlen erklären darf.“ (Gerald John, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe 6.3.2008)