10.000 Menschen leben in den 3185 Wohnungen im Wohpark Alt-Erlaa.

Foto: Standard/Robert Newald

An bestimmten Punkten, wie etwa in den sieben Hallenbädern, werden sie von Kameras gefilmt. Der technische Dienst überwacht die Aufnahmen.

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Mietervertreter Heinz Sack kann die Aufregung um die Videoüberwachung "nicht verstehen".

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In Jeansjacke und stets mit einem freundlichen Gruß auf den Lippen schlendert Heinz Sack durch den Wohnpark Alt-Erlaa. Er ist hier seit 15 Jahren bei der Mietervertretung tätig. Rund 10.000 Menschen leben in den insgesamt 3185 Wohnungen der drei Wohnblöcke. Zur Wohnanlage gehört auch ein eigener "Kaufpark" mit 60 Geschäftslokalen, es gibt Büros, Arztpraxen, Schulen, Sporthallen und einiges mehr.

Sack ist hier einer der "Ur-Einwohner", wie er selbst sagt. Er schwärmt vom sozialen Netzwerk im Wohnpark. Doch mindestens genauso viel wie das soziale Umfeld zählt für den Vater von sieben Kindern das Sicherheitsgefühl, das er hier empfindet. "Die Kinder können als Fünfjährige alleine sicher einkaufen gehen - ohne dass ich mir Sorgen machen muss", erzählt er.

Kameras seit 30 Jahren

Neben dem hauseigenen Sicherheitsdienst, der stets mit drei Männern vor Ort ist, gäben auch die Kameras dieses Grundgefühl. Die meisten elektronischen Überwacher im Wohnpark gibt es hier seit Eröffnung des ersten Wohnblocks vor über 30 Jahren. Sie hängen bei sämtlichen Garagenein- und ausfahrten und in den Hallenbädern. Auch im Altstoffzentrum ist in der Zwischenzeit, vor rund zehn Jahren, ein elektronischer Überwacher montiert worden. "Sonst haben wir hier innerhalb weniger Wochen hunderte Kühlschränke stehen", ist sich Sack sicher. Im Gang vom Einkaufszentrum zur Garage hängt auch eine Kamera. "Damit haben wir die Drogenjunkies wegbekommen", erzählt Sack. Ob sie wirklich funktionstüchtig ist, mag bei näherem Hinsehen zwar bezweifelt werden, doch die Installation erfülle ihren Zweck.

Während die Überwachung bei den Garageneinfahrten es möglich mache, Hausfremde von der Garage fernzuhalten, seien die Kameras in den sieben Hallenbädern ein Ersatz für den Bademeister, erklärt Sack. Die Aufregung mancher Experten über die angeblichen Eingriffe in die Intimsphäre von Menschen kann der Mietervertreter "nicht verstehen". "Eine Kamera zu montieren, war die einzige Möglichkeit, ein Hallenbad ohne einen Bademeister zu betreiben", erzählt der Familienvater. "Wenn es heißt: Hallenbad mit Kamera oder kein Hallenbad - was glauben Sie, wofür die Bewohner sich dann entscheiden?", fragt er. Die Diskussion über Bürgerrechte und Privatsphäre ginge völlig an der Realität vorbei, meint Sack.

Studien zur Mieterzufriedenheit, scheinen Sack recht zu geben: Bei einer 1999 von Fessel GFK und Ifes durchgeführten Umfrage im Auftrag der Stadt Wien gaben 92 Prozent der befragten Bewohner die Note "gut" bis "sehr gut" für das Wohnen im Wohnpark Alt-Erlaa und reihten die Anlage damit auf Platz eins in der Mieterzufriedenheit. Das Kontrollamt stellte zudem eine "geringe Fluktuation der Mieter" fest und, dass Wohnungen "eher selten" leer stünden.

Anton Herlt von der Gesiba, die den Wohnpark betreibt, unterstreicht Sacks Aussagen: "Es stehen tausende Autos in unserer Garage, und fast nie wird eines aufgebrochen", erzählt er. Rund 50 Personen arbeiten für den 24 Stunden am Tag eingesetzten technischen Dienst, zehn davon sind gleichzeitig im Einsatz. Sie sind unter anderem für die Überwachung der Monitore verantwortlich. Daneben hätten sie aber auch sämtliche andere technische Probleme zu lösen. "Dass einer die Zeit hat, Leute am Monitor zu verfolgen und beobachten, ist lächerlich", meint Herlt. Nach drei Tagen löschten sich die Aufnahmen zudem automatisch.

Vandalenjagd per Kamera

Vor knapp zwei Jahren hat die Gesiba in Abstimmung mit dem Mieterbeirat beschlossen, sich zusätzlich zu den fixen Installationen noch eine mobile Kamera anzuschaffen, um dem Vandalismus den Kampf anzusagen. Im vergangen Jahr ist der elektronische Helfer zweimal zum Einsatz gekommen. Einmal, als im zur Wohnanlage gehörenden Kaufpark mehrmals das Schaufenster eines Kaffeehauses eingeschlagen wurde, und ein zweites Mal, als Jugendliche mehrere Male Feuermelder eingeschlagen hatten. In beiden Fällen nahm die winzige Kamera die Täter bei wiederholter Tat auf. Das Videomaterial übergab die Gesiba der Polizei. "Im Fall der Brandmelder wurde das Material sogar bei Gericht als Beweis verwendet", erzählt Herlt.

Die Kamera soll samt Rekorder und Übertragungsstation rund 450 Euro gekostet haben. Ein Feuerwehreinsatz wegen eines eingedrückten Brandmelders koste 600 bis 800 Euro, rechnet Herlt vor.

Beschwerden gäbe es keine

Die Mieter wurden bei Anschaffung der mobilen Kamera via Mieterzeitung und Newsletter darüber informiert, dass das neue Überwachungstool jederzeit bei Brennpunkten eingesetzt werden könne. Wenn nun die Kamera wegen eines Anlassfalles montiert wird, gibt es aber keine erneute Verständigung.

Beschwerden, weil sich jemand überwacht fühle, habe es bisher keine gegeben. Das bestätigt auch Judith Milanollo von der Hausinformation, der Anlaufstelle für Fragen, Beschwerden und Saunatermine. "Es ist vorgekommen, dass einer wollte, dass eine Kamera bei seinem Auto aufgestellt wird, aber dass jemand Kameras weghaben wollte, gab es noch nicht", erzählt die junge Dame.

Sacks Handy läutet. Einer seiner Söhne hat sich einen Schneidezahn ausgeschlagen, erzählt er nach dem Anruf seiner Frau. Manches kann auch die beste Videoüberwachung nicht verhindern. (Gudrun Springer, DER STANDARD/Wohnen - Printausgabe, 5. März 2008)