Krems - "Islam in Sicht" hieß am Montag und Dienstag eine Tagung der Donau-Universität Krems (Fach Interkulturelle Studien) - und wenn Nichtmuslime meinen, den Islam vor Augen zu haben, dann sehen sie in erster Linie das Kopftuch und in zweiter die Moscheen mit Minaretten. "Zur Auseinandersetzung um muslimische Bauten in Österreich" war denn auch der Untertitel der Konferenz. Der weiße, klein geratene - tonlose, denn der Gebetsruf steht gar nicht zur Debatte - Turm der Moschee in Telfs schwebte als projiziertes Bild über dem Podium.

Die verschlechterte Stimmungslage, die Muslimen heute entgegenschlägt, wenn sie ihre verfassungsmäßigen Rechte auf Religionsfreiheit und Gleichbehandlung einfordern, könne nicht mit Religionsdebatten verbessert werden, da waren sich alle Teilnehmer einig. Die Religion ist nur eine Projektionsfläche aller möglichen Konflikte, die sich ums Thema ranken. Wobei sich der Kulturbegriff zwischen Staat und Religionsfreiheit schiebt, wenn es opportun ist: So sei das Kreuz plötzlich kein religiöses, sondern ein kulturelles Symbol (und deshalb, anders als islamische Symbole, allen zumutbar).

Herrschaftssymbole

Die anwesenden Muslime zeigten sich auch bei dieser Konferenz ratlos angesichts der islamfeindlichen Tendenz, einzelne Zitate zu ihren Ungunsten einzusetzen - wie zum Beispiel jenes, das belegen soll, dass Minarette "Herrschaftssymbole" des Islam seien (etwas völlig anderes als Kirchentürme?). Ein muslimischer Teilnehmer erinnerte an den Kontext der Entstehung des Minarettbaus - der effizientesten Form für den Gebetsruf - und betonte, dass man heute deshalb sehr gut ohne auskommen könne. Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, widersprach: Religionsfreiheit sei nicht das religiöse Existenzminimum, auch nicht das, worüber in der betroffenen Religionsgemeinschaft Konsens bestehe, und auch nicht das "rein Religiöse".

Auf einem von Standard-Redakteurin Gudrun Harrer geleiteten Panel kam auch zur Sprache, dass Religionsfreiheit das Recht, ohne Religion zu leben, inkludiere; die Ablehnung und die Gleichgültigkeit sowie Religionswechsel. Die Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger konstatierte, dass Religionsgemeinschaften vermehrt in die Rolle der Repräsentation im politischen Feld (zum Beispiel in Migrationsfragen) gedrängt würden, als Ansprechpartner des Staates - mangels politischer Repräsentation dieser Gruppen. (red, DER STANDARD Printausgabe, 5.3.2008)