Bestimmte Eiweißstoffe - so genannte Pollenproteasen - ermöglichen den Befruchtungsvorgang zwischen den Blütenteilen ("Würstchen" und "rote Füßchen").

Foto: Med Uni Graz

Trockene Haselpollen

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Pollen sofort nach Kontakt mit Tränenflüssigkeit oder Nasensekret. Proteasen treten aus, die die Tränen- und Nasensekretproteine zerstören und die unangenehmen Symptome selbst bei Nicht-Allergikern hervorrufen.

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Otto Schmut, ist einer der "Forschungs-Master-Minds" an der Grazer Universitätsaugenklinik.

Er erarbeitete Therapiemöglichkeiten zum "trockenen Auge" und erforschte kürzlich die Ursachen für Pollenreaktionen bei Menschen, obwohl sie keine Allergiker sind.

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derStandard.at: Welcher Mechanismus wirkt, wenn Nicht-Allergiker Pollenreaktionen zeigen?

Schmut: Dafür ist es notwendig, den Befruchtungsprozess der Pflanzen zu kennen. Bei der Befruchtung müssen die männlichen Pollen bei der weiblichen Narbe landen. Dort beginnt sofort die Bildung des so genannten Pollenschlauchs, mit dem sich der Pollen den Weg zur Eizelle bahnen muss. Für diesen Vorgang sind Enzyme notwendig, die so genannten Proteasen. Diese haben die wichtige Eigenschaft, Proteine zu spalten beziehungsweise zu zerstören. Was für die Pflanze ein lebensnotwendiger Prozess ist, kann sich aber ganz anders beim Menschen auswirken.

derStandard.at: Zu welchen Reaktionen kann es beim Menschen kommen?

Schmut: Wenn die Pollen beim Menschen landen, dann werden die Proteine der Tränenflüssigkeit beziehungsweise des Nasenschleims und der Zellen angegriffen. Dies ist eine Reaktion, die nicht auf allergischer Basis beruht.

derStandard.at: Aber für den Betroffenen wirkt es wie eine Allergie?

Schmut: Ja, der Patient empfindet ähnliche Erscheinungen, wie Augenjucken und Rötungen oder die Schwellung der Schleimhäute. Unter dem Mikroskop und bei der Analyse der einzelnen Parameter findet man dann aber selbstverständlich einen Unterschied bei den Reaktionen.

derStandard.at: Kann man selbst den Unterschied erkennen, ob man Allergiker ist oder "nur" an einer Pollenreaktion leidet?

Schmut: Vermeintliche Allergiker werden es daran erkennen, dass zum Beispiel Antihistaminika trotz hoher Dosierung keinen Therapieerfolg zeigen. Erst heute habe ich wieder ein Email eines Betroffenen erhalten: Selbst die doppelte Dosis brachte keine Erleichterung.

derStandard.at: Betroffene werden also fälschlicherweise wie Allergiker behandelt. Welche Folgen hat der Therapiefehler?

Schmut: Antihistaminika machen müde. Nicht zuletzt wird ja auch vor dem Autofahren gewarnt. Wozu also ein Medikament nehmen, das den Pathomechanismus nicht trifft und den Körper nur belastet.

derStandard.at: Trotzdem zeigen viele Menschen keine Reaktionen. Welche Fehlfunktion ist für die nicht-allergische Pollenreaktion verantwortlich?

Schmut: Normalerweise verhindern Antiproteasen die Proteasereaktion. Antiproteasen sind absolut lebensnotwendig. Deshalb hat sie der Mensch auch im Blut. Aber wenn nicht genug Antiproteasen vorhanden sind, kann es zu den Pollenreaktionen kommen.

derStandard.at: Wodurch können zu wenig Antiproteasen im Körper sein?

Schmut: Man weiß, dass ein Zuwenig an Tränenflüssigkeit auch zuwenig Antiproteasen bedeutet. Es können aber auch angeborene oder erworbene Defekte in den Antiproteasen verantwortlich sein.

derStandard.at: Wie wäre die richte Behandlung für Nichtallergiker, die unter Pollenreaktionen leiden?

Schmut: Die gibt es zur Zeit noch nicht. Geplant sind Forschungen an Antiproteasen beziehungsweise Proteaseinhibitoren. Auch an der genauen Definition, um welche Proteasen es sich definitiv handelt, forschen wir gerade.

Die einzige Möglichkeit für Betroffene besteht zur Zeit darin, den Pollenkontakt so gut wie möglich zu vermeiden. Das heißt zum Beispiel kein Hochleistungssport im Freien oder abends die Haare waschen, um den Pollenkontakt über den Polster zu vermeiden.

derStandard.at: Würden sie jedem, der erstmals eine Pollenreaktion bemerkt, sicherheitshalber zu einem Allergietest raten?

Schmut: Ja, am besten einen Allergietest im Allergielabor. (Andrea Niemann, derStandard.at/gesundheit)