Der Dichter fällt mit blutender Nase auf die Bühne: Was immer ihm und seinen Künstlerkollegen fehlt, es wird den jungen Bohemiens in Philip Jenkins' Inszenierung von Das Leben der Bohème (nach dem Drehbuch des Films von Aki Kaurismäki) im Burgtheater-Vestibül von der Figur "Puccini" (Florentin Groll) durch die Luken eines grauen Kartonkastens mit Kalendertürchen (Ausstattung: Claudia Vallant) gereicht. Ein daran befestigter Automat spuckt einzelne Zigaretten aus, die von den kulturellen Hoffnungsträgern hastig geraucht werden sollen. Zunächst aber sind diese seltsam steife, verklemmte, zwanghafte Figuren - dem jungen Künstler, möchte man erst meinen, ist jeder ein Feind. Später wird, no na, ein bisschen über Kunst diskutiert, die schwindsüchtige Mimi (Julia Hartmann spielt sie wie einen Kleiderständer) ist plötzlich und auch ganz nebenbei nur tot. Dementsprechend fällt Rodolfo (Moritz Vierboom) auch wenig dazu ein. Gerrit Jansens Marcel macht hauptsächlich sehr gespreizt viel Lärm um nichts. Lediglich Patrick O. Beck gibt seinem Schaunard Schalk und Lebensfreude - und dem Publikum eine Ahnung davon, was diese lexikalisch "nonkonforme", "schillernde" Lebensart bedeuten könnte. Obwohl in manchen Abläufen sehr sauber, sinnvoll und witzig (wenn etwa Rodolfo seine Farbtuben wie Waffen auf das Publikum richtet - kurz könnte sogar das Grau der Bühne Sinn machen) gearbeitet wurde, stimmige Gesten Ideen andeuten, die es nicht bis zur Premiere geschafft haben, plätschert der Abend nur lose dahin - wie ein zu schnell gemaltes Bild ohne Rahmen. (ih, DER STANDARD - Printausgabe, 4. März 2008)