Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero ist verärgert. Lautstark verlangt er "mehr Respekt seitens der Kirche". Denn die Bischöfe des Landes haben einen Wahlleitfaden veröffentlicht. Wer ihn befolgt, hat am kommenden 9. März nur eine Wahl, die konservative Volkspartei (PP) von Zapateros Herausforderer Mariano Rajoy. Die Kirchenfürsten fordern zur Wahl des "kleineren Übels" oder des "größere Wohls". Es gebe "keine Demokratie ohne Moral". Deshalb könne eine katholische Stimme nur denjenigen gehören, die "den freien Religionsunterricht" ermöglichen, für "die Verteidigung des menschlichen Lebens in jedem Stadium" eintreten und "die auf der Ehe basierende Familie unterstützen". Außerdem wenden sich die Bischöfe gegen Verhandlungen mit der baskischen ETA.

Für die Sozialisten ist diese Erklärung "eine unerhörte Einmischung in die Politik". Zapatero beschwerte sich beim spanischen Nuncio des Vatikans, und seine rechte Hand, der Organisationssekretär der Sozialistischen Partei (PSOE), Pepe Blanco, droht der Kirche gar mit dem Entzug der staatlichen Fördergelder. Die Kirchenerklärung und die Reaktion darauf sind der Höhepunkt eines sich in den letzten vier Jahren verschärfenden Konflikts. Seit die PP nur drei Tage nach den islamistischen Anschlägen auf die Pendlerzüge von Madrid im Jahre 2004 überraschend die Wahlen verlor, mischen sich die Bischöfe in die Politik ein, wie es die Spanier seit Ende der Franco-Diktatur in den 1970ern nicht mehr gewohnt sind.

Ablenken von der Krise

Die Kirche unterstützte immer wieder die Konservativen, wenn sie Hunderttausende auf die Straßen mobilisierten. Der Radiosender der Bischofskonferenz beschuldigte Zapatero gar, Spanien in den Ruin zu treiben. "Sie haben eine perfekte Strategie ausgearbeitet", ist sich der kritische Theologieprofessor Juan José Tamayo sicher. "Immer weniger gehen zum Gottesdienst, taufen ihre Kinder, immer weniger Paare lassen sich trauen."

Die Demonstrationen sollen "der Gesellschaft und der Regierung zeigen, dass die Kirche nicht in der Krise steckt." Es scheint zu funktionieren. Die Kirchensteuer wurde um 34 Prozent erhöht, im Jahr erhält sie 153 Millionen Euro. Weitere fünf Milliarden fließen in die Kassen von Privatschulen oder den Erhalt kirchlicher Bauten. (Reiner Wandler aus Madrid/DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2008)