„Es gab keine Freiheit“, rutscht es ihm am Ende heraus, die Wahlen vom Sonntag seien nicht frei gewesen. In der Erklärung steht das nicht. Wären mehr Kandidaten zugelassen worden, hätte es mehr Chancengleichheit im Fernsehen gegeben, dann wäre das Ergebnis doch dasselbe gewesen, behauptet Andreas Gross. Dmitri Medwedew, Putins Kandidat, hätte so oder so gewonnen. Das bringt viele bei der Pressekonferenz im „National“ auf.
Gross, Sozialdemokrat im Bundesrat in Bern und seit vielen Jahren Delegierter im Europarat in Straßburg, dem auch Russland angehört, hat das kleine Fähnlein von Wahlbeobachtern angeführt – die einzige Beobachtergruppe, die nicht aus früheren Moskautreuen Sowjetrepubliken stammt. 22 Delegierte und ein Leiter sind nicht eben ein ausreichend großes Kommando für ein Land mit elf Zeitzonen und 109 Millionen Wahlberechtigten. Doch weil Odihr, die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, einmal mehr nicht rechtzeitig Visa von den russischen Behörden erhalten und auf eine Beobachtung von Wahlkampf und Abstimmung verzichtet hatte, kommt Gross’ Urteil besondere Bedeutung zu.
70,2 Prozent der Stimmen hat Medwedew, der amtierende Erste Vizepremier am Ende erhalten. Weit abgeschlagen kam der Chef der Kommunisten, Gennadi Sjuganow, auf 17,8 Prozent.
Spät am Wahlabend, als der Sieg des Kreml-Favoriten feststeht, gehen der gewählte und der noch amtierende Präsident durch den Schneeregen über den Roten Platz. Eine Tribüne ist aufgebaut, das jugendliche Publikum wartet auf Musik und auf die nationalen Führer, schwenkt Fahnen und friert. Putin weiß nicht recht, wo er hinsehen soll und warum der Mann neben ihm überhaupt so lange spricht, aber Medwedew kostet zum ersten Mal seinen Sieg aus. Ein ganz kleines bisschen wenigstens, und dann kommt der neue Staatschef, mit 42 Jahren der jüngste seit Zar Nikolaus II., doch wieder auf Putin zu sprechen. Dessen politischer Kurs werde fortgesetzt. Das Publikum jubelt.
Jugend ist Trumpf