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Beschlagnahmte Werke aus Beständen von Opfern der Nationalsozialisten wurden an die Lehrstätten weitergegeben. Nun hat die Universität Wien ihre Provenienzforschung abgeschlossen. An der Technischen Uni Wien wurde bereits 2003 ein Projekt zur Aufarbeitung abgeschlossen.

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Wien – Der "Anschluss" also; ganz so überraschend sei er nicht gekommen, hält Juliane Mikoletzky, Chefarchivarin der TU Wien, fest. Bis heute sind die Narben, die die NS-Herrschaft hinterlassen haben, in den Bibliotheken gegenwärtig, denn Bücher sind unbarmherzige Zeugen.

Aufsätze von Mengele, Goebbels, Hitler bis zu deren antisemitischen Lehrmeistern, etwa von Georg von Schönerer, finden sich für Forschungszwecke in den Katalogen der Uni-Bibliotheken. So bleiben die dunklen Seiten der Lehre dokumentiert.

In den Archiven der TU Wien finden sich naturgemäß weniger Theorietexte als praktische Forschungsprojekte: So wurde etwa an der Raketentechnik für die "Vergeltungswaffe" V2 (Anm.: erste Langstreckenrakete) und anderer "kriegswichtiger" Projekte, wie synthetischer Schmiermittel und Flugzeugtriebstoffe, mitgearbeitet.

Die erhofften Drittmittel aus der NS-Kriegskasse ließ manche Forscher auf Förderung hoffen, doch die angestrebte Profilbildung der Hochschulen widerstrebte den TU-Ingenieuren, sie fürchteten um ihren gesellschaftlichen Stand. Viele der Aufzeichnungen zu diesen Projekten verschwanden nach dem Krieg oder waren überhaupt bei den Drittmittelgebern ausgelagert.

Zweifelhafte Herkunft

Wo es die Nazis für nützlich erachteten, wurden die österreichischen Bibliotheken mit beschlagnahmten Beständen jüdischer oder politisch verfolgter Personen, wie Institutionen bedacht. 2004 begann die Uni-Bibliothek Wien ein Projekt zur Provenienzforschung, um fragwürdige Bestandstitel zu erforschen und gegebenenfalls zu restituieren. Heuer soll das Projekt abgeschlossen und diesen März vorgestellt werden.

Mangels aussagekräftiger Inventarlisten, mussten die Bücher Stück für Stück durchgesehen werden. "Zum einen die Zugänge und Erwerbungen der Universitätsbibliothek in den Jahren 1938 bis 1945", erklärt der Historiker Peter Malina, Leiter des Projektes an der Hauptbibliothek. Weiters sichtete man die Bestände, die die Uni nach 1945 aus der sogenannten Büchersortierungsstelle bekommen hatte.

Raub und Förderung

Eindeutig war die Lage bei 862 geraubten französischsprachigen Bücher: Sie kamen 1942 von der Gestapoleitstelle Wien an die Uni-Bibliothek. Besondere Nutznießer des Bücherraubs waren die Institute für Anglistik und Orientalistik, sowie die während der NS-Herrschaft neugegründeten Institute der Zeitungswissenschaft oder der Theaterwissenschaft. Diese verfügten dadurch über höhere finanzielle Mittel. Ankäufe erfolgten auch über Antiquariate, die unrechtmäßig entwendete Bücher verkauften. "Beim Institut für Orientalistik stammen diese Bestände aus Privatbibliotheken", sagt Monika Löscher von der Uni-Bibliothek Wien. Andererseits seien Bestände von jüdischen Gemeinden des Burgenlands eingegliedert worden. Diese wurden nicht inventarisiert, sondern bekamen die Etiketten "Leihgabe Ahnenerbe".

Größtenteils wurden diese Bücher, laut Löscher, nach 1945 restituiert: "Wenngleich nicht alle." In den 50er-Jahren untersuchte die Büchersortierungsstelle die NS-Raubbestände und gab Sammlungen an die rechtmäßigen Erben zurück. So etwa die Bibliothek des Musikwissenschaftlers Guido Adler, die dessen Sohn zurückgegeben wurde.

Bücher, die 1938 verboten wurden, waren während des Nationalsozialismus größtenteils weggesperrt oder versteckt. So konnten der größte Teil nach 1945 wieder in die Uni-Bibliothek eingegliedert werden. Der bibliothekarische Verlust hielt sich in Grenzen. (Georg Horvath/Sebastian Pumberger/DER STANDARD Printausgabe, 4. März 2008)