Bild nicht mehr verfügbar.

Der Gerontobereich ist ein gefragtes Berufsfeld, zieht jedoch nur wenige Studierende an.

Foto: AP Photo/Thomas Kienzle
Salzburg – "Der Gerontobereich hat wenig Prestige, unsere Studierenden arbeiten halt lieber mit Kindern und Jugendlichen" – Urs Baumann vom Fachbereich Psychologie an der Uni Salzburg hat noch etwas Schwierigkeiten, Begeisterung für sein Spezialgebiet zu schüren. Dabei hat die Gerontopsychologie – jener Teilbereich also, der sich speziell mit den psychischen Schwierigkeiten älterer Menschen beschäftigt – durchaus Zukunft.

Zusammenarbeit mit Seniorenheimen

Salzburg ist der einzige Unistandort in Österreich, der ein Modul Gerontopsychologie anbietet. Auch in Deutschland gibt es nach Baumanns Informationen nirgends einen solchen Schwerpunkt – lediglich einige Studiengänge auf Fachhochschulniveau, nicht aber innerhalb eines Psychologiestudiums. Auch Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema sind in Salzburg sehr gefragt. Dabei arbeitet die Universität eng mit den fünf städtischen Seniorenheimen zusammen. Ende Februar wurde das zehnjährige Jubiläum dieser Kooperation mit einer Fachtagung gefeiert.

Bessere Berufschancen, schlechteres Image

Obwohl die Berufschancen für Geronto-Spezialisten vergleichsweise sehr gut sind – „es gibt einfach nicht so viele Psychologen, die sich damit beschäftigt haben“, sagt Baumann – wählen auch in Salzburg vier Mal so viele Studierende den Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychologie. Das könnte sich aber in Zukunft ändern, immerhin tut sich in der Arbeit mit älteren Menschen ein riesiges Betätigungsfeld auf: Bis zu zehn Prozent der Menschen über 60 benötigen psychologische Betreuung, 60 Prozent aller Psychopharmaka werden in dieser Altersgruppe konsumiert.

"Ein schwieriges Geschäft"

Warum gerade Senioren derart unter psychischen Problemen leiden, hat mehrere Gründe, sagt der ärztliche Leiter der Salzburger Seniorenheime, Randolf Messer: "Man weiß aus Wissenschaft und Praxis, dass die Aufgabe des Alterns ein schwieriges Geschäft ist. Viele kommen damit sehr gut zurecht, andere überhaupt nicht – das hängt mit der individuellen Biografie zusammen." Dass sie im Alter auf fremde Hilfe angewiesen sind, macht vielen Menschen zu schaffen, ebenso die Häufung von Verlusterlebnissen, wenn Angehörige, Freunde und Bekannte sterben oder sich abwenden.

Schlechte psychosoziale Versorgung

Alte Menschen mit ernsthaften psychiatrischen Erkrankungen leben fast ausschließlich in Seniorenheimen. Etwa 60 Prozent der Bewohner leiden den Angaben der Experten zufolge unter Demenzerkrankungen unterschiedlichen Grades – bei einem Durchschnittsalter von 85 Jahren wie etwa in der Stadt Salzburg nicht weiter verwunderlich. Dennoch stehen auch in Seniorenheimen kaum psychosoziale Dienste zur Verfügung. Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten oder Sozialarbeiter sucht man in den Heimen der öffentlichen Hand fast immer vergeblich. Bei (teuren) privaten Anbietern ist das mitunter anders.

Problem: Darf nicht mehr kosten

"Aus unserer Sicht bräuchte jedes Heim einen Psychologen", sagt Urs Baumann. "Wir wären aber schon froh, wenn die Stadt für ihre fünf Heime wenigstens eine gemeinsame Psychologenstelle hätte." Das scheitert wie so oft am Geld. Messer: "Die Stadtgemeinde würde auch gerne Psychologen anstellen, aber das Land muss zuerst dafür sorgen, dass wir dafür einen höheren Heimtarif verlangen können."

"Psycho" als Hemmschwelle

Ohne heimeigene Spezialisten sei psychosoziale Hilfe für Heimbewohner kaum zu bekommen – dafür brauche es einen "bürokratischen Hürdenlauf" bei den Krankenkassen, den alte Menschen meist nicht bewältigen können, kritisiert Messer. Und die Inanspruchnahme scheitere oft auch an einer Hemmschwelle: "Immerhin kommen viel alte Menschen aus einer Zeit, in der 'Psycho' etwas Gefährliches war", sagt Uni-Psychologe Anton-Rupert Laireiter.

Geld für Prävention fehlt

Auch "aus dieser Not heraus" sei vor zehn Jahren die österreichweit einzigartige Zusammenarbeit zwischen Uni und Altersheimen entstanden, sagt Messer. Die Fortführung der verschiedenen Projekte – psychotherapeutische Beratung und Behandlung für Heimbewohner, Gesprächs- und Bewegungsprogramme, Schulungen zur Früherkennung für Pflegepersonal und Zivildiener – stehe aber mangels Geld auf der Kippe. Die Experten fordern ein Umdenken in der Finanzierung – immerhin könne bessere Prävention von Demenz oder psychosomatischen Beschwerden auch viel Geld einsparen helfen. (Markus Peherstorfer/derStandard.at, 3. März 2008)