Carl Schroebler rät bei der Studien- und Berufswahl, auf das Bauchgefühl zu hören. Wer keine Ausbildungsstelle im Traumjob findet, soll etwas möglichst Ähnliches machen: "Die Feineinstellung kann später noch erfolgen!"

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Buchautor und Berufsberater Carl Schroebler hat in den vergangenen drei Jahren fast 300 Vorträge an Schulen, auf Messen und in Jugendstrafanstalten gehalten. Mit seinem aktuellen Buch ist er nächste Woche in Österreich unterwegs und auch auf der BeSt zu Gast. Ein Gespräch mit Bernhard Madlener.

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Standard: Mit dem Buch "14-24Jahre.com" und Ihren Vorträgen wenden Sie sich an eine inhomogene Gruppe: Vom Pubertierenden bis zum Hochschulabsolventen. Wie bringt man diese Menschen unter einen Hut?

Schroebler: Sie alle stehen unter einem Entscheidungszwang. Ob in der Elementarschule oder der Hochschule, es ist dasselbe: Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Gemeinsam ist diesen Menschen die Frage: Wofür würde ich gerne aufstehen, wenn in der Früh mein Wecker klingelt?

Standard:  Im Vorfeld der BeSt-Messe sind Sie an Wiener Schulen unterwegs. Was erzählen Sie dabei so?

Schroebler: Eines vorweg: Ich besuche nur Schulen, die die Eltern mit einbinden. Wenn so ein Abendtermin möglich ist, mache ich den Vormittagstermin für die Schüler gratis dazu. Ich zeige beiden die Einflüsse auf, denen die Berufswahl unterliegt: Eltern, Medien, Modeberufe, soziales Umfeld. Mit den Schülern gehe ich auf die Frage ein: Wie kitzle ich meinen Bauch, um herauszufinden, wo meine Stärken liegen? Die Eltern und Lehrer stelle ich vor das Problem: Wie können wir als Team dem Berufssuchenden bei der Wahl behilflich sein? Sie sollen ihre Erfahrung zur Verfügung stellen. Besserwisserei ist dabei absolut nicht gefragt!

Standard: Welche Rolle spielt der Arbeitsmarkt? Nach der Ausbildung will niemand gleich zum AMS pilgern ...

Schroebler: Diese Sorgen sind leider viel zu häufig. Ich sage: Vergessen Sie die Anstellungsfrage, vergessen Sie das Geld! Es geht nur darum: Was interessiert mich so sehr, dass ich dafür zumindest eine dreijährige Ausbildung durchstehe? Die meisten Lehren dauern drei Jahre, und an der Hochschule hat man nach drei Jahren einen Bachelor. Was man dann machen will, ist heute völlig offen, das weiß kein Mensch. Man kann auf diese Weise eine Reihe von Fehlentscheidungen einfach eliminieren.

Standard: Meist gibt es aber weniger Ausbildungsplätze als Interessenten. Lehrstellen sind knapp, auch Unis beschränken den Zugang verstärkt!

Schroebler: Diese Situation ändert sich momentan gerade für die Lehrlinge. Laut AMS ist die Vermittlung bei den Lehrberufen 2007 im Vergleich zu 2006 um 23 Prozent gestiegen, bei den höher Gebildeten um über 28 Prozent. Nur bei den Hilfsarbeitern gab es einen leichten Rückgang. Von DM-Drogeriemarkt in München weiß ich, dass die 50 Lehrlinge suchen und erst zehn haben. Die nehmen auch Hauptschüler mit einer Vier im Zeugnis, wenn diese Leute ins Ausbildungsprofil passen.

Standard: Aber generalisieren lässt sich das nicht. Unternehmer beklagen zu oft, dass sie keine passenden Lehrlinge finden, die Jugendarbeitslosigkeit bleibt gleichzeitig hoch ...

Schroebler: Natürlich ist es so, dass wir heute viele junge Leute mit relativ geringer Bildungsanstrengung haben. Laut einer Untersuchung in Österreich ist die Hälfte der Lehrbetriebe mit der Einstellung der Lehrlinge nicht zufrieden. Es wird bemängelt, dass die Bereitschaft zum Aufräumen fehlt, dass die Auszubildenden nicht pünktlich sind und auch kaum einmal eine halbe Stunde länger bleiben wollen, wenn sie gebraucht würden. Viele haben schon in der Jugend einen zu hohen Lebensstandard und glauben, sich ohne Anstrengung alles leisten zu können.

Standard: Was raten Sie, wenn jemand seinen Traumjob nicht findet?

Schroebler: Selbst dann soll man seinen Traum nicht in den Papierkorb schmeißen. Es gibt unzählige verschiedene Berufe - dann wählt man eben einen, der nah dran ist. Frei nach Goethe: Ungefähr richtig ist besser als total falsch. Die Feineinstellung kann später noch erfolgen!

Standard: Berufsmessen sind eine gute Möglichkeit, sich über Alternativen klar zu werden. Was raten Sie Besuchern der BeSt nächste Woche?

Schroebler: Suchen Sie sich eine ruhige Parkbank und fragen Sie sich, wofür Sie in der Früh aufstehen wollen. Dann gehen Sie zum Messestand des AMS und fragen nach diesem Berufsbild oder einem, das nahe dran ist. Beim entsprechenden Stand informieren Sie sich näher und lassen sich eine Visitenkarte für später auftauchende Fragen geben. (DER STANDARD Printausgabe, 1./2. März 2008)