Bild nicht mehr verfügbar.

Schwarzer Rauch steigt nach einem Raketenangriff auf ein Haus in Gaza auf

Foto: AP/Moussa
Israelische Luftschläge und ein Vorstoß mit Bodentruppen im Gazastreifen und palästinensische Kassam-Raketen auf Israels Süden: Es war das blutigste Wochenende seit dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000.
*****

Die Konfrontation zwischen Israel und dem Hamas-Regime im Gazastreifen hat am Wochenende zu den blutigsten Gefechten seit dem Beginn des Palästinenseraufstands im Jahr 2000 geführt. Mit zahlreichen Schlägen aus der Luft und mit Vorstößen von Bodentruppen in den Raum von Djebalya im nördlichen Gazastreifen reagierte Israel auf das ständige Raketenfeuer, das nun auch die 120.000 Einwohner zählende israelische Küstenstadt Ashkelon und die Ortschaft Netivot im Landesinneren erreicht.

Die Palästinenser meldeten seit Freitagabend mehr als 60 Tote, darunter auch viele Zivilisten, die Israelis verloren am Samstag zwei Soldaten. Während die palästinensische Führung in Ramallah von "Völkermord" und einem "Massaker"sprach und ein für Montag vorgesehenes Treffen der Verhandlungsteams absagte, wiederholten israelische Politiker die Warnungen vor einer großangelegten Bodenoperation, die beiden Seiten vermutlich einen noch viel höheren Preis abverlangen würde.

Keine Moralpredigten

"Nichts wird uns daran hindern, weiterhin unsere Bürger zu verteidigen", sagte Premier Ehud Olmert gestern am Beginn einer Kabinettsitzung, "und niemand hat das Recht, uns Moral zu predigen." Die Israelis sprechen jetzt offen aus, dass sie das Hamas-Regime stürzen wollen, und riefen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf, die Friedensverhandlungen nicht abzubrechen, weil dies der Hamas in die Hände spielen würde.

Vorläufig führe die Armee immer noch bloß "punktuelle", zeitlich begrenzte Operationen aus, hieß es in Israel, wobei dicht besiedeltes Gebiet nach Raketenwerferkommandos und nach Raketenwerkstätten durchkämmt werde. Am Samstagnachmittag wurde in Djebalya aus der Luft ein Lastwagen zerstört, der 160 Kassam-Raketen transportiert haben soll. Sonntagfrüh wurde die Kanzlei des Hamas-Premierministers Ismail Haniyeh im Zentrum von Gaza-Stadt getroffen - das Gebäude stand leer, weil die gesamte Hamas-Führung aus Furcht vor "gezielten Tötungen" untergetaucht ist.

Angesichts der vielen Verletzten, darunter auch Kinder, waren die Spitäler und Rettungsfahrzeuge im Gazastreifen, wo Medikamente und Treibstoff knapp sind, völlig überfordert. Ägypten entschloss sich am Sonntag, den Grenzübergang bei Rafah zu öffnen und verletzte Palästinenser zur Behandlung aufzunehmen.

Palästinensische Politiker, wie Abbas und Hamas-Chef Khaled Mashal, warfen Israel am Samstag vor, es würde an den Palästinensern "mehr als einen Holocaust" verüben. Damit griffen sie offenbar ein schlecht übersetztes Wort des israelischen Vizeverteidigungsministers Matan Vilnai auf, der die Palästinenser tags zuvor im Radio vor einer "Katastrophe" gewarnt hatte. Vilnai verwendete dabei das hebräische Wort "Shoah", das "Katastrophe" bedeutet, aber speziell auch für den "Holocaust" verwendet wird. Vilnai veröffentlichte sofort eine Klarstellung, wurde aber auch innerisraelisch für seine "unglückliche Wortwahl" kritisiert. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2008)