Bilder von der Crown Bar zeigt diese Ansichtssache.

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Es ist einer dieser Orte, die man nicht vergisst. Jeder, der The Crown Liquor Saloon zum ersten Mal betritt, wird in Staunen versetzt. Dem Besucher eröffnet sich ein Zusammenspiel von Mosaiken, schnörkeligen Ornamenten, geschnitzten Fabelwesen, Glasmalerei und verzierten Spiegeln. "Ein Meisterwerk viktorianischer Bar-Architektur", nennt es John Baird von der britischen Denkmalschutz-Organisation National Trust, die seit 1978 Eigentümer des Lokals ist. Doch der Dauerbetrieb sieben Tage die Woche hatte dem Architekturjuwel zugesetzt. Der Trust stimmte einer umfassenden Restaurierung zu, die fast 800.000 Euro verschlang. Erst vor wenigen Wochen wurden die Arbeiten abgeschlossen.

Am 17. März feiern die Iren ihren Nationalheiligen Saint Patrick und mit ihnen die ganze Welt. Irish Pubs von New York bis Tokio, von Wien bis Bratislava rüsten sich für die Riesenparty in Grün und füllen die Lager mit Guinness-Bier. Beschaulicher geht es ausgerechnet in Nordirlands Hauptstadt Belfast zu, wo dieser vielleicht schönste Pub der Welt nun in neuem Glanz erstrahlt.

Bahnbrechende Ideen

Wie so oft in Irland hat das alles etwas mit der katholischen Kirche zu tun. Der Pub wurde 1826 als Railway Tavern errichtet, erhielt jedoch erst ab 1885 sein einzigartiges Interieur. Das ist Patrick Flanigan, dem Sohn der Wirtsfamilie, zu verdanken, der nach Kontinentaleuropa gereist war und ein ausgeprägtes Interesse für Architektur und Design entwickelt hatte. Für die Umsetzung seiner Ideen zur Neugestaltung des Familienbetriebs konnte er italienische Kunsthandwerker gewinnen, die zu dieser Zeit gerade vermehrt in der Stadt weilten. Sie waren zur Kirchengestaltung geholt worden, pfuschten aber nebenbei in der Crown Bar.

Statt religiöser Symbole wurden dort Löwen, Greifvögel, exotische Früchte und Muscheln geschnitzt, nicht Heiligen-, sondern Blumenbilder zieren die Glasmalereien des Etablissements. Und dennoch hat das Profane hier einen Hauch des Spirituellen. Wie das Licht durch die Glasteile der Eingangstür bricht, den Innenraum des Lokals durchflutet und die Farben der Arabesken an der Decke zur Geltung bringt, das hat etwas, das man sonst aus Kirchen kennt. Abends wird der Pub originalgetreu mit Gaslampen beleuchtet, nur zwei elektrische hängen der Vorschrift wegen vorm Ausgang.

Religiöse Trennung kannte der Pub nie, auch nicht in den düstersten Zeiten des nordirischen Bürgerkriegs. Er war stets neutraler Treffpunkt für alle, die gerne ein Pint trinken. Zugesetzt hatten die Troubles der Crown Bar dennoch. Vor allem in den 1970er-Jahren bekam sie so einiges ab. Die zentrale Lage an der Great Victoria Street, genau gegenüber vom Europa-Hotel - einst "Lieblingstarget" der IRA - machte den Pub extrem verwundbar. "Einmal hat die Druckwelle einer Bombe die Eingangstüren quer durchs Lokal gefegt", erinnert sich der Bar-Manager George Craig.

Nur etwa fünf Minuten Fußmarsch von der Crown Bar entfernt, gegenüber vom Rathaus, liegt die 1788 gegründete Linen Hall Library. Für politisch Interessierte zahlt es sich aus hineinzuschauen. Belfasts älteste Bibliothek verfügt über eine umfangreiche Dokumentation des nordirischen Bürgerkriegs. Seit Beginn wurde jedes Poster, jedes Flugblatt gesammelt, alle Sticker, Pamphlete und Manifeste.

Den nächsten Drink in der Crown Bar nimmt man am besten in einem der zehn getäfelten Separees, den so genannten Snugs. Will man im Pub essen, sollte man reservieren. Serviert wird Pub-Schmaus: Irish Stew, Bacon and Liver, Austern und Guinness. In den Snugs ist es gemütlich, und sie eignen sich hervorragend, um den Stadtplan auszubreiten.

Tragende Wände

Wer zum ersten Mal nach Belfast kommt, hält Ausschau nach den "Murals", den politischen Wandmalereien. Sie erinnern an den blutigen Bürgerkrieg von 1969 bis 1998, in dem mehr als 3500 Menschen starben. Antibritische Malereien finden sich in der katholischen Falls Road, antiirische in der protestantischen Shankill Road. Wer nicht auf eigene Faust dorthin möchte, kann bei einem spezialisierten Busunternehmen buchen. Auch "Black Taxis" bieten Touren für Kleingruppen an.

Neben der "Mural"-Tour ist die "Titanic"-Tour beliebt. Wie jeder Kinobesucher weiß, lief die "Titanic" vom englischen Hafen Southampton aus, gebaut wurde sie allerdings bei Harland & Wolff in Belfast, einer der größten Werften der Welt. Der riesige gelbe Kran der Schiffsbauer mit den Initialen H & W bietet an jedem Punkt der Stadt eine sichere Orientierungshilfe.

Spektakulär ist der Blick auf die Stadt vom Cave Hill aus. Man fährt bis Belfast Castle und spaziert sodann bergauf. Dort oben begann im 12. Jahrhundert Belfasts bewegte Geschichte mit der Errichtung einer Normannenburg. An sonnigen Tagen mit klarer Sicht ist Schottland zu erkennen. Die Lage der Stadt ist überhaupt eine der schönsten auf den britischen Inseln, direkt am Belfast Lough und dem Fluss Lagan. Alte Fabriken und Anlagen erzählen von Belfasts industrieller Vergangenheit. Wenn das Wetter schlecht ist, versteht man, warum die "Girona" - eines der größten Schiffe der spanischen Armada - vor Nordirlands Küste sank.

Die jüngst abgeschlossene Restaurierung der Crown Bar kann als ein Bekenntnis des Glaubens an Frieden und politische Stabilität interpretiert werden. Denn zuletzt hatte nur mehr der Zigarettenrauch der Crown geschadet. Allein sieben Wochen verbrachten die Restauratoren damit, die Deckenmalerei unter einer Schicht von Nikotin und Teer freizulegen. Aber auch diese Bedrohung ist mit dem Rauchverbot in Nordirlands Pubs bereits Geschichte. (Ruth Reitmeier/DER STANDARD/Printausgabe/1./2.3.2008)