Zeigt her eure Füße: Angehende Kosmetikerinnen machen Trockenübungen. Die Hürden auf dem Weg zur Lehrstelle sind zahlreich und hoch.

Foto: DM, Formanek
Vösendorf - "Sie dürfen heute Ihre Fähigkeiten erkennen. Jeder ist eine Besonderheit mit seinen Talenten." Wie aus einer Managementbibel klingen die Worte der Dm-Gebietsleiterin Helga Reiter. Die kühle Atmosphäre des Konferenzraumes verliert durch ihre freundliche Stimme etwas von ihrer Bedrohlichkeit. 110 Jugendliche sammeln sich im Saal des Eventhotels Pyramide am Rande der Vösendorfer Shopping City Süd. Sie kommen aus Niederösterreich und dem Burgenland, manche in Begleitung ihrer Eltern. In der ersten Reihe fußfrei sitzt Wirtschaftsstaatssekretärin Christine Marek (VP). Gebietsmanagerin Reiter betont, dass auch längere Anfahrtszeiten zur Filiale in Kauf genommen werden müssen, um seinen "Traumjob" zu bekommen.

An diesem Mittwoch geht es um 16 Lehrstellen als Drogist, elf als Friseur und vier als Kosmetiker. Nicht mehr als fünf Burschen finden sich unter den Bewerbern. Österreichweit lädt Dm 1000 Jugendliche zum "Talente-Tag" in elf Städten. 1700 hatten sich beworben.

Ein Elternpaar aus Illmitz steht wartend vor dem Konferenzraum, sie wollen ihre Tochter noch kurz sehen, bevor es richtig losgeht. Sie erwarten sich viel vom "Talente-Tag" und von Dm als Arbeitgeber, sagen sie. Die Jugendarbeitslosigkeit sei hoch im Burgenland, da sei die Suche nach einer Lehrstelle schwierig. Auch die lange Anfahrtszeit sei für die burgenländische Jugend oft ein notwendiges Übel, erzählen sie weiter. Ihre Tochter tue sich schwer in der Handelsschule, ausgerechnet Biologie könnte ihr zum schulischen Verhängnis werden. Während das Mädchen mit ihren Talenten glänzen muss, um eine Lehrstelle zu ergattern, gehen die Eltern in der Zwischenzeit in die SCS shoppen. Sie haben sich dafür extra freigenommen.

Den Talenten auf der Spur Nach einem halbstündigen Vortrag werden die Jugendlichen je nach Lehrberuf in Gruppen eingeteilt. "Seid ihr meganervös?", fragt die Kosmetikerin Hannelore Weihrauch in die Runde. Elf Jugendliche nicken verlegen. Sie sind zwischen 14 und 17 Jahren alt, ein Bursch ist unter ihnen. Es geht um vier Lehrstellen für die Doppellehre Kosmetiker und Fußpfleger. Die Stimmung ist angespannt. Die erste Aufgabe lautet: "Ich stelle mich vor." Zehn Minuten gibt es Zeit, um seine Persönlichkeit auf einem Flipchart zu skizzieren. Die Jugendlichen erzählen Persönliches: "Ich möchte nicht mehr so negativ denken", "ich möchte meine Konzentration verbessern", "ich will abnehmen". Die Berufe ihrer Eltern reichen von Landwirt über Polier und Bürokauffrau bis zu Krankenschwester. Akademikereltern sind nicht darunter. Während der Übungen beobachtet Kosmetikerin Weihrauch mit zwei Kolleginnen die Jugendlichen. Sie verteilen Noten von eins bis vier. Die Kriterien seien Sprachkenntnis, das Erscheinungsbild und die Körpersprache der Bewerber, sagen sie. Die nächste Aufgabe: Die Jugendlichen sollen innerhalb von 30 Minuten in Gruppenarbeit ein "revolutionäres" DM-Produkt kreieren. Herauskommt eine Bräunungs- und eine Anti-Falten-Creme. Es wird viel gelacht. Bei dieser Übung würden Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Engagement und Genauigkeit der Bewerber überprüft, erläutert Weihrauch. In einer Pause erzählt Fabian, dass er bereits 50 Bewerbungen verschickt habe, bis jetzt habe er keine Zusage erhalten. Er ist Niederösterreicher und HTL-Schüler. Ein wenig fühle er sich schon seltsam hier, so als einziger Mann, räumt er ein. Mit einem Messer muss er wenig später eine Orange schälen, bei dieser Übung soll die Feinmotorik der Bewerber getestet werden.

"Etwas mehr als der KV" Als nächste Aufgabe wird eine Behandlung in der Fußpflege nachgespielt - es gibt skeptische Blicke. Die letzte Hürde auf dem Weg zur Lehrstelle ist ein schriftlicher Leistungstest.

Anschließend können noch Fragen an die drei Kosmetikerinnen gestellt werden. Über die Arbeitszeiten und den Arbeitsort wollen die Jugendlichen mehr wissen, Fragen zur Lehrlingsentschädigung stellt keiner. Im ersten Lehrjahr bekommen die Kosmetiker und Friseure etwas mehr, als es der Kollektivvertrag vorsieht, nämlich 317 Euro. Im zweiten Jahren liegt er bei 409 Euro, im dritten bei 579 Euro, lässt die Personalabteilung später wissen. Drogisten erhalten rund 25 Prozent mehr Lehrlingsentschädigung.

Abschließend nimmt jeder Teilnehmer noch eine "Talente-Karte" mit seinen speziellen Talenten mit nach Hause. Den Jugendlichen hat es gefallen, sagen sie. Draußen warten die Eltern. In Kürze verschickt die Handelskette Einladungen zum Vorstellungsgespräch, mehr als die Hälfte der Kids sind da schon nicht mehr dabei. Welche Talente für Dm verwertbar sind, bleibt ein Betriebsgeheimnis.

Zeigt her eure Füße: Angehende Kosmetikerinnen machen Trockenübungen. Die Hürden auf dem Weg zur Lehrstelle sind zahlreich und hoch. (Christoph Schlemmer, DER STANDARD Printausgabe 01.03.2008)