Schiele-Blätter aus dem Besitz Karl Mayländers – nun im Museum Leopold: "Selbstbildnis in weißem Anzug mit Panama-Hut", "Sitzender Bub mit gefalteten Händen", "Selbstbildnis mit roten Haaren und gestreiften Ärmelschonern" und "Rückenansicht eines vorgebeugten Jünglingsaktes".

Fotos: Leopold Museum

Nun in der Albertina: Schiele-Aquarell "Bildnis Aga Gallus, Prag" (1910).

Foto: Albertina
Wien – Über Karl Mayländer ist nicht viel bekannt. Er war, 1872 in Wien geboren, von Beruf Textilkaufmann in der Türkenstraße 10, ledig, er hatte keine Kinder und lebte in der Weimarerstraße 7. Nebenbei arbeitete als Kunstkritiker. In seinem "Verzeichnis über das Vermögen von Juden" vom 15. Juli 1938 führt er eine Bibliothek an – und Bilder "von jungen österr. Künstlern".

Er besaß, wie die Provenienzforscherin Sophie Lillie recherchierte, zumindest 18 Werke von Egon Schiele, den er außerordentlich geschätzt haben musste: Er ließ sich von ihm 1917 nicht nur porträtieren, er organisierte auch zu dessen zehnten Todestag 1928 eine Gedächtnisausstellung in seiner Privatwohnung.

Am 14. Dezember 1938 unterrichtete er die Vermögensverkehrsstelle, dass er den Verkaufswert seiner Bibliothek und Bilder zu optimistisch mit 5000 Reichsmark angesetzt hatte, denn "trotz verschiedener Versuche sind diese Sachen momentan überhaupt nicht verkäuflich".

Deportiert nach Polen

Das weitere Schicksal Mayländers ist schnell erzählt: Er kam mit seiner Schwester Ottilie Fleischmann in eine Sammelwohnung im zweiten Bezirk, am 23. Oktober 1941 wurden sie nach Lodz deportiert. Mayländers Neffe, Bernhard Fleischmann, konnte in die USA flüchten, wo er den Namen Bernard Foster annahm.

Drei Jahre nach dem Ende des Krieges, 1948, stellte die Albertina eine Schiele-Retrospektive mit 336 Exponaten zusammen. Zu sehen waren, wie die Auflistung beweist, auch etliche Zeichnungen mit dem Besitzvermerk "ehemals Sammlung Karl Mayländer".

Zur Verfügung gestellt hatte das Konvolut eine gewisse Edelka Hofmann. Laut Sophie Lillie verkaufte diese in der Folge zumindest fünf Modedesign-Zeichnungen (aus 1910) und das Mayländer-Bildnis – sowie vier Arbeiten an die Albertina: Stehender Knabenakt, Kopf nach links gewendet; Proletarierknabe, stehend, von vorne; Bildnis Aga Gallus, Prag und Mädchen mit Sonnenbrille. 1952 erwarb die Albertina von ihr durch Tausch zudem ein Porträt Heinrich Benesch.

Und an Rudolf Leopold verkaufte Edelka Hofmann bis zu ihrem Tod 1966 – der Sammler macht keine Angaben über den Zeitpunkt – drei Blätter: Sitzender Bub mit gefalteten Händen; Selbstbildnis mit roten Haaren und gestreiften Ärmelschonern sowie Rückenansicht eines vorgebeugten Jünglingsaktes. 1968 erwarb Leopold über den Kunsthändler Serge Sabarsky auch das Selbstbildnis in weißem Anzug mit Panama-Hut.

Gutglaubenserwerb?

Die Israelitische Kultusgemeinde fragt sich nun, ob Edelka Hofmann befugt war, die Bilder zu veräußern. Einen Erwerb im guten Glauben – Hofmann war Werkstättenleiterin – bezweifelt man. Denn der Augenarzt wusste über den Vorbesitzer Mayländer Bescheid. Im Gespräch mit seinem Sohn Diethard Leopold über seine Person (veröffentlicht 2003 in Buchform) erklärt er, die Liste der Albertina-Schau studiert zu haben. Und in seinem Schiele-Werkkatalog 1972 gab er zu den Blättern, die er von Etelka Hofmann erworben hatte, die Provenienz "Mayländer" an. Diese Werke befinden sich nun in der zusammen mit der Republik errichteten Stiftung.

In der von Robert Holzbauer betreuten Provenienzdatenbank des Leopold Museums wird zu den vier genannten Werken angemerkt, dass Etelka Hofmann die Lebensgefährtin gewesen sei. Die Werke seien "vor dem 21. Oktober 1941" in ihren Besitz übergegangen – also zwei Tage vor Mayländers Deportation. Als Beweis wird eine Vermögenserklärung mit dem garantiert unrichtigen Datum "21.20.1942" genannt.

Für Sabine Loitfellner, Provenienzforscherin der Kultusgemeinde, ist in ihrem Dossier über den Fall "mehr als fraglich", dass die 19 Jahre jüngere Etelka Hofmann die Lebensgefährtin gewesen sein soll: "Da sie nach 1945 kein Toderklärungsverfahren in die Wege leitete bzw. keine – obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wätre – Vermögensentziehungsanmeldung erstattete – ist davon auszugehen, dass ihr klar war, nicht die rechtmäßige Erbin nach Mayländer zu sein."

Der Angabe von Leopold ging auch Maren Gröning, Provenienzforscherin der Albertina, nach: "Ich kann nicht bestätigen, dass Edelka Hofmann die Lebensgefährtin war."

Natürlich:Auch wenn sie nicht die Lebensgefährtin gewesen sein sollte, hätte Mayländer ihr die Bilder vor der Deportation geschenkt haben können. Doch auch in diesem Fall ist für die Kultusgemeinde eine Restitution die logische Konsequenz: "Mayländer hätte sich ohne die nationalsozialistische Verfolgung nicht von den Bildern getrennt".

Der Rückgabebeirat beschloss bereits die Restitution eines Mayländer-Buches, das über die Gestapo in die Nationalbibliothek gekommen war. (Thomas Trenkler, ALBUM/DER STANDARD, 01/02.03.2008)