Wie geht man in Aserbaidschan mit dem ansteigenden Kaspischen Meer um? Wie lebt der letzte Angehörige eines Stammes, dem alles – Sprache, Boden, Kultur – genommen wurde, im nördlichsten finnisch-russischen Grenzgebiet?

Wer Antworten auf solche Fragen erhalten will, der muss reisen, reden, recherchieren. Der muss seiner Neugierde folgen und sich mit dem Fremden vertraut machen, bereit sein, selbst als Fremder zu gelten.

Thomas Brunnsteiner ist dazu bereit. Den gebürtigen Leobener zog es Ende der Neunziger zum Sprachunterricht nach Moskau und dann privat nach Finnland, wo er mittlerweile mit Familie lebt. Seine Reisen verband und verbindet er mit Erkundigungen, Überlegungen (wie ist das, wenn man einen Sattelschlepper von Wien nach Stockholm steuert?) und mit Zufällen – so lernte er etwa Menschen in St. Petersburg näher kennen, von denen er eigentlich nur einen Schlüssel abholen sollte. Bis zum Eismeer gehen Brunnsteiners Reportagen, aber auch weit in den Osten. Er ist dem Rand Europas ähnlich auf der Spur wie Karl Markus Gauß und Martin Pollack, vielleicht weniger dem großen Rahmen verpflichtet, mehr den persönlichen Facetten.

Doch auch in ihnen leuchtet die Allgemeingültigkeit auf, die seine Texte – allesamt keine Auftragsarbeiten – für deutschsprachige Zeitungen und Magazine so attraktiv machen. Ein Dutzend seiner besten Reportagen hat der Wieser Verlag in der Reihe Europa erlesen versammelt: klein, fein, passend. (Michael Freund, ALBUM/DER STANDARD, 01/02.03.2008)