Sleeping Beauty

"Die Liegende" ist ein Standardmotiv der Mode-Fotografie - meistens wird die schlafende oder sich räkelnde Frau jedoch aus der Vogelperspektive abgelichtet. Auf dem Plakat seines berühmten Filmes "Blow Up" (1966) zeigte Antonioni den Fotografen, der sich zärtlich und doch ein wenig zu bestimmt über sein Model beugt.

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Mit der liegenden Frau bewirbt man selten Mode, sondern meist Produkte, die auch Männer kaufen würden, wie Parfüm und Schmuck. Das Motiv ist die Inkarnation des "männlichen Blickes" in der Modefotografie, symbolisiert Verführung und Verfügbarkeit, weckt Begehren, das Basis-Fluidum der Konsumgesellschaft.

Das Bild stammt aus der aktuellen Valentino-Kampagne.

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Walk the Walk

Der Laufsteg ist vermeintlich die pure Form der Mode-Präsentation. Ein weißer Strich - ohne exotische Hintergründe, digitale Bildeffekte und andere Ablenkungen. Der Laufsteg-Laufstil ist eine hoch artifizielle Bewegungsform. Nicht umsonst schrie Runway-Coach Bruce Darnell in "Germany's Next Topmodel" immer wieder: "Du musst den Gang lernen, Mädchen!" - und fängt angesichts der Ignoranz seiner Schülerinnen an zu weinen. "Auf dem Laufsteg finden wir zeittypische Bewegungsformen", sagt Irene Antoni-Komar, Kunst- und Modehistorikerin an der Universität Oldenburg.

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In den 50er-Jahren noch traten die Models nur kurz auf die Bühne, drehten sich einmal um die Achse und verschwanden dann wieder hinter dem Vorhang. Heute ist der Laufsteg 50 Meter lang und ein Fashion Sprint. Die Sport-Assoziation kommt uns nicht ohne Grund. Früher bestand das Laufsteglaufen laut Antoni-Komar aus fließenden, femininen Bewegungen. Heute ist es Dynamik pur: Die Beine werden aggressiv nach vorn geworfen, die Hüfte klappt mechanisch von links nach rechts. "Der Körper selbst ist das Bezugsobjekt", drückt es Antoni-Komar aus. Auf dem Laufsteg wird weniger die Kleidung gefeiert, als vielmehr die stumme Performance der Hochleistungsmodels - die Parade einer Armee von androgynen Robotern.

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Yoga Fashion

In der Tiefe (des Bildes) glitzert der urbane Sprawl von Los Angeles - auf den Dächern tanzt die Modegöttin. Dieses Bild erzählt keine Geschichte. In der Opulenz des Kleides und der Bildidee verschwindet das Model. "Das Foto ist reine Form", sagt Irene Antoni-Komar, "die Künstlichkeit des Bildes stellt das Produkt in den Vordergrund." Was sehen wir hier? Eine moderne Skulptur, eine balinesische Tempeltänzerin oder den Star des Chinesischen Staatszirkus - eine Bambus-Orchideen-Chimäre, die unter der Sonne der Nacht erblüht.

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Name, Gesicht und Persönlichkeit der Darstellerin spielen in der akrobatisch-skulpturalen Mode-Fotografie keine Rolle. Nicht ohne Grund lauten die drei goldenen Regeln des Model-Business: "Sell the Product! Sell the Product! Sell the Product!" Und sieht die gebogene Wirbelsäule und der parallel laufende Zopf nicht aus wie ein C, das Initial des Modeschöpfers Roberto Cavalli? Dies ist der Endpunkt der Entpersonalisierung, der Mensch wird zum Logo.

Das Bild stammt aus der aktuellen Roberto-Cavalli-Kampagne.

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Classic Love

Wäre Claudia Schiffer zu Zeiten der Renaissance über die Welt gestöckelt: Jede Wette, Botticelli hätte die große Blonde als Vorbild und Inspiration für seine Aphrodite genommen. Chanel stellt die berühmte Szene der Schaumgeburt nun im 21. Jahrhundert nach. Ein archetypisches Mädchen wie Schiffer verträgt keine Verfremdung. Man kann sie nur in einer klassischen Pose zeigen, die von der antiken Bildhauerei bis in die Gegenwart populär ist. Ein Körper wie ein Parfümflakon. Das Kleid fällt und wirft Falten wie eine Toga.

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Auch die leichte Rumpfdrehung, das gleichzeitig Hin- und Abwenden von der Kamera, so als hätte man sie bei einem Spaziergang am einsamen Strand überrascht, kommt uns bekannt vor. Rembrandts Bild "Susanna im Bade" zeigt ein nacktes Mädchen, das sich von einem Eindringling abwendet. Die dokumentierte Badeszene diente als Legitimierung der Nacktszene, die Schamgeste spricht den Voyeurismus des Betrachters an. "Ein klassisches erotisches Motiv", meint Antoni-Komar. Der goldene Saum des Kleides funkelt wie der Schwanz einer Meerjungfrau. Sie ist so schön. Und muss doch fort, zurück ins Wasser. Ein Schnappschuss über die Unmöglichkeit der Liebe.

Das Bild stammt aus der aktuellen Chanel-Kampagne.

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Teen Spirit

Das Motiv bringt selbst in liberalen und junggebliebenen Zeitgenossen den inneren Drill Sergeant hervor. "Halt dich gerade Mädchen", möchte man dem Model mit den hängenden Schultern zurufen. "Nimm Haltung an!" Aber gerade das ist ja das Problem in der Gegenwart. Nicht nur bei Dolce & Gabana lassen die Mädchen die Schultern hängen. Auch Gucci und andere Edelschneider werben mit Fehlhaltungen und Wirbelsäulenverkrümmung.

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Angeblich steht die Modebranche und damit auch die restliche Welt kurz vor einem Comeback der "frühen 90er-Jahre", von Karohemden, Grunge und der No-Future-Attitüde. Die bucklige Schöne ist Ausdruck dieses pessimistischen Lebensgefühls. Sie soll dem Betrachter vermitteln, es handele sich hier nicht um ein inszeniertes Bild, sondern um echte Menschen und Gefühle. Modefotografie schwankt immer zwischen Theatralik und Authentizität. "Das Bild spielt mit der Suche und Sucht der Modebranche nach perfekter Schönheit", sagt Antoni-Komar. Und so zerstört das Bild eben diese Schönheit selbst.

Das Bild stammt aus der aktuellen Dolce-&-Gabbana-Kampagne.

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Dancing Queen

Der erhobene Arm ist eine Drohgebärde. Der erhobene Ellbogen hingegen eine Geste der Verführung. Schon die Maler des 19. Jahrhunderts zeigten ihre Aktmodelle gerne in dieser Pose: die Hand im Nacken, die Ellbogen wie ein Dreieck neben dem Kopf. Die Psychologie des Körperklischees ist schnell erklärt. Die Entblößung der Achseln, der Schwachstelle, ist ein Akt der Hingabe. An den Akademien wird das Ellbogen-Erheben hingegen ganz pragmatisch wegen der Streck-Wirkung empfohlen.

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Hebt man den Arm, so spannt sich der Pectoralis major, der Brustmuskel - und setzt Torso und Busen unter Spannung. Die Mädchen in der Cavalli-Kampagne scheinen ganz spontan auf dem heißen Sand zu tanzen, zwei zuckende, brennende Fackeln in der Wüste. Doch die Körperhaltung ist nach geometrischen Formeln berechnet: Hals, Arm und Restkörper stehen in einem perfekten Winkelverhältnis - Vektoren der Verführung.

Das Bild stammt aus der aktuellen Just-Cavalli-Kampagne.
(Tobias Moorstedt/Der Standard/rondo/29/02/2008)

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