Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar geht nach dem Urteil des Verfassungsgerichts in Karlsruhe zu Online-Durchsuchungen davon aus, dass das Instrument nur selten angewandt werden kann. Die Vorgaben seien so eng, dass es nur sehr wenige Online-Durchsuchungen in extremen Ausnahmesituationen geben könne, sagte Schaar dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Wie beim Großen Lauschangriff habe das Gericht hohe Hürden formuliert.

Im einstelligen Bereich

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy, rechnet mit einer einstelligen Zahl von Online-Durchsuchungen pro Jahr. "Das ist kein Masseninstrument, sondern ein Instrument unter vielen anderen", sagte der SPD-Politiker. Er begrüße aber, dass den weitergehenden Vorstellungen von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) "ein Riegel vorgeschoben worden" sei.

Die Schmerzgrenze

Nach Einschätzung von deutschem Richterbund und Polizeigewerkschaft sind die Strafgerichte mit den strengen Vorgaben überfordert. "Die Ermittlungsrichter sind schon heute teilweise bis an die Schmerzgrenze belastet. Es wäre illusorisch zu glauben, dass sie künftig auch noch die riesigen Datenmengen sichten könnten, die bei Online-Durchsuchungen in Deutschland anfallen würden", sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Online-Razzia

Ein Richter müsse die Online-Razzia genehmigen. Zudem müsse ein Ermittlungsrichter, Staatsanwalt oder anderer Beamter die Dateien auswerten, um miterfasste höchstpersönliche Daten herauszufiltern. Zur Erfüllung der Vorgaben seien deshalb mehr Richter und Staatsanwälte nötig, sagte Frank.

Auf der Suche nach Richtern

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg: "Wenn Gerichte bei Online-Durchsuchungen zur Kontrolle dazwischen geschaltet werden sollen, dann müssen dafür ausreichend Richter bereitgestellt werden." Gerade bei Ermittlungen gegen Terrorverdächtige sei Eile geboten. "Allein im Fall der Sauerländer Terrorzelle sind 2,3 Terabyte Daten gesichert worden, was mehr als 3.000 CDs entspricht", sagte Freiberg der Zeitung.

Bayern prescht vor

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, noch vor dem Sommer ein entsprechendes Gesetz zu Online-Durchsuchungen in Bayern einzuführen. "Noch vor der Sommerpause kann das bayerische Gesetz vom Landtag beschlossen werden", sagte Herrmann der "Passauer Neuen Presse". Datenschutzrechtliche Bedenken wies der CSU-Politiker unter Verweis auf die Steueraffäre zurück: "Wenn man gestohlene Daten von Steuerhinterziehern kauft, erhält man in Deutschland großen Applaus. Wenn aber eine saubere Rechtsgrundlage dafür geschaffen wird, dass in extremen Ausnahmefällen auf die Computer von Terroristen zugegriffen wird, gibt es Protest. Das steht in keinem Verhältnis."

SPD: Urteil zu Online-Durchsuchungen soll in deutsche Verfassung

Der innenpolitische Sprecher der regierenden deutschen Sozialdemokraten, Dieter Wiefelspütz, hat sich dafür ausgesprochen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen in das Grundgesetz aufzunehmen. Im rbb-Rundfunk sagte Wiefelspütz am Donnerstag, das Gericht habe mit seinem Urteil ein bislang ungeschriebenes Grundrecht entwickelt: "Vor 20 Jahren hatten wir noch kein Internet. Und ich fände es gut, dass diese besondere Entwicklung in den geschriebenen Text unseres Grundgesetzes eingefügt wird."

Vertraulichkeit und Integrität

Das Gericht hatte erstmals ein Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von Computern festgestellt. Wiefelspütz sagte, das Urteil sei so überzeugend, dass sowohl Kritiker als auch Befürworter von Online-Durchsuchungen zufrieden sein könnten. "Es schafft Rechtsfrieden in dieser wichtigen, streitigen Angelegenheit, weil es so ausgewogen ist."

"Dummes Zeug"

Das Karlsruher Urteil hat nach Auffassung des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, den Weg für die Umsetzung der Pläne des deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble zur Online-Durchsuchung freigemacht. "Was wir als Gesetzentwurf formuliert haben, kann jetzt Recht werden", sagte er im WDR. Es sei allerdings "dummes Zeug", wenn verbreitet würde, die Union wolle "massenhaft in die Computer der Deutschen eingreifen". Es werde immer nur um eine geringe Zahl von Fällen in ganz Deutschland im Jahr geben.(APA/AP)