Ob nun Guido Gluschitsch in Jogginghosen oder die KTM 450 SMR "nackt" eine bessere Figur macht, erfahren Sie in diesem Artikel

Foto: Werk

In Ermangelung einer langen Unterflatz bin ich gezwungen, mir eine Jogginghose anzuziehen, auf der noch die Marmelade vom letzten Sonntagsfrühstück klebt. Das muss so sein. Weil draußen ist es kalt und die Hose waschen geht sich nicht mehr aus. Der Sulzi und ich sollen in einer Stunde auf der Supermoto-Bahn sein und es hat eine Lufttemperatur von sieben Grädern unter Null. Da brauchst noch einen Stoff unterm Leder, sonst hältst du das nicht aus.

Auch die Slicks von Sulzis nigelnagelneucher Supermoto halten bei den Temperaturen eher wenig aus. Der Rennstrecken-Betreiber hat noch freundlich gemahnt: „Poah, mit de Glatzert’n wird des wia auf Eis.“ Aber der Sulzi ist ja ein Profi. Der weiß das. Der Sulzi hat nämlich schon einmal eine Supermoto besessen. Die hat er aber voriges Jahr verkauft, weil er sie nie gefahren ist. Na gut, an dem Tag, an dem er sie verkauft hat, ist er sie dann doch gefahren. Und das hat ihm so getaugt, dass er sich sofort eine neue KTM 450 SMR kaufen hat müssen, weil er seinen Fehler bemerkt hatte.

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Sulzis zweiter Fehler war, den Worten des Streckenbetreibers nicht genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Ich steh im Leder am Streckenrand, darunter die Marmelade und die Hose, und schau zu, wie der Sulzi die KTM durch die erste Kurve trägt, durch die zweite und die dritte. Nach der dritten Kurve geht er ans Gas und in der vierten Kurve fliegt er ab, so schnell kann er gar nicht schauen. Und dann landet er. Mit dem größten Teil der KTM am Knie. Statt der Fußrasten schleifen die Hand-Guards. So sollte das nicht sein. Das denkt sich der Sulzi wohl auch, als er sich am Ende seiner Landebahn aufrappelt.

Das Problem der Hand-Guards, die am Lenker runterhängen wie die Marmelade-Hosen an meinen Beinen, ist bald gelöst. Mit ein paar herzhaften Schlägen hat der Sulzi die 450er KTM wieder repariert. Das Problem, dass der Sulzi, von der vierten Kurve an, einen Schritt an den Tag legt, der Quasimodo in Verzückung auftanzen lassen würde, ist nicht so leicht gelöst. Sulzis Knie hat der KTM eine sanfte Landung bereitet. Nachteil: Der Sulzi kann nimmer gescheit watscheln.

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>>> Lauwarme Rutschpartie

Nur weil der Sulzi nimmer rennen kann, heißt das aber nicht, dass er nimmer fahren kann. Er kann halt nur nicht mehr fotografieren, weil dazu müsst er ja herumkraxeln und dem daherrutschenden Radl ausweichen können. Also fährt er, abwechselnd mit mir. Das Spiel läuft einfach: Acht bis zehn Runden im Kreis, in der vorletzten Runde anzeigen, dass man gleich raus kommt und sich der nächste fertig macht. Reiben übergeben. Schnell. Eines darf nämlich nicht passieren: Das Motorrad darf nicht stehen. Dabei kühlen die Slicks nämlich sofort aus. Und wir wollen ja nicht noch einmal absteigen, weil der Reifen kalt ist. So richtig warm wird er aber eh nicht und wir rutschen den ganzen Tag fröhlich vor uns hin.

Nach den ersten paar Runden vom Sulzi darf endlich ich mit der KTM auf die Strecke raus. Ich sag dem Sulzi aber schon, dass die Kratzer da und da und da und da schon waren und dass die KTM für ein ganz neues Radl schon ein bisserl hergenommen ausschaut. Das freut ihn natürlich sehr, den Sulzi. Ob es aber Freudentränen waren, die er vergossen hat, oder Tränen des Schmerzes oder der Trauer hab ich nicht gefragt. Sondern nur ein "Hat er recht gehabt, der Strecken-Oberförster, hm?" nachgeschoben, und ein bestätigendes "Haltet aber eh was aus, deine neue Reiben."

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Ich bin dann raus auf die Strecke, bevor der Sulzi zu weinen begonnen hat. Ich mach es kurz: geil!!! Der orange Einzylinder hat es faustdick hinter den Ohren. Das Fahrwerk ist steif wie eine ganze Horde WU-Studenten und die Anti-Hopping-Kupplung bewahrt mich gleich in der ersten Runde vor einem gewaltigen Abflug. Herrlich ist das, wenn du im dritten Gang auf die Kurve zufährst, die Kupplung ziehst, im Rausch des Adrenalins zweimal, mit viel Schwung, vorsichtig und zärtlich runterhakelst und den Kupplungshebel auslässt als wäre jedes Krankenhaus eine Anstalt der ewigen Freude.

Wie gesagt, es ist halt schade, dass es von dem Ereignis keine Fotos gibt, weil es der Sulzi nicht dahatscht hat. (Und sonst war an dem Tag niemand mit, der zwei voll funktionsfähige Beine hatte? mfgux) Es dürft ihn aber eh ziemlich geärgert haben, dass er keine Bilder machen kann. Ich nehme an, das war der Grund, aus dem er hinten bei der letzten Kurve vor der Zielgeraden so spät gebremst hat. Weil da fast kein Grip war, hat es ihm beim Anbremsen ganz arg die Radln wegzogen und weg war er wieder. Schade eigentlich. Bis zur letzten Zwischenzeit, die ich gestoppt hatte, war er nämlich ganz gut unterwegs. Wenn er die Zeit ins Ziel gefahren wäre, hätte ich ihn heuer nie wieder einholen können.

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Ja, diesmal bin ich nicht gestürzt. Ungewöhnlich, hm? (Na ja, es gibt ja auch alle paar Jahre eine Mondfinsternis… mfgux ;-) Dafür war ich der Einzige, der geblutet hat. Hab mir beim Aufschneiden der Jausenwurst den Finger ein bisserl gekürzt. Nix Arges. Supermoto fahren hab ich schon noch können. Und das bisserl Blut hab ich mir in den Fahrpausen einfach neben die Marmeladeflecken in die Jogginghose gewischt. Jetzt bräucht ich dann nur noch einen Kaffeefleck, um das farblich abzurunden.

(Text: Guido Gluschitsch, 28.02.2008)

Guido Gluschitsch ist Chefredakteur von Motorradnet.at.