Es fließt viel Blut: Michael C. Hall als perverser Forensiker "Dexter" Morgan. Premiere zeigt die ersten beiden Staffeln.

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Was für ein Blutrausch! Ganze zwei Minuten vergehen bis zum ersten Mord. Und in dem Rhythmus geht es ungefähr weiter. "Ich bin ein sehr reinliches Monster", sagt der junge Mann mit dem eisigen Lächeln. Vor kurzem hat er seinem Opfer bei lebendigem Leib den Kopf abgesägt. Der Name dieses Sonnenscheins ist Dexter Morgan (Michael C. Hall), zweifelhafter Held der TV-Serie "Dexter" und ab heute, Donnerstag, 20.15, im Bezahlfernsehen auf Premiere zu sehen. RTL 2 will mit dem Gemetzel noch heuer beginnen, voraussichtlich 2009 zeigt es der ORF.

Jede Menge ...

So weit, so blutig - und so austauschbar. Blut fließt im Fernsehen tagtäglich zur Genüge. Mit abgeschnittenen Körperteilen hantieren schon die schicken Ärztinnen in "Grey's Anatomy". Mikroskopisch genau zeigen die "CSI"-Forensiker jedes Detail am toten Körper. Hart am Rande des Erträglichen wurde auch bei den Schönheitschirurgen in "Nip/Tuck" geschnipselt.

Warum "Dexter" anders ist, liegt an einigen pikanten Details. So viel Sympathie wurde einem Serienkiller nicht mehr seit Hannibal Lecter entgegengebracht. Vordergründig haben wir es mit einem unscheinbaren Mittdreißiger zu tun, der unter Kollegen Donuts verteilt und mit seiner Chefin flirtet. Er hat eine Schwester, für die er da ist, wann immer sie ihn braucht, und eine Freundin, mit der er zwar keinen Sex hat, aber mit deren Kindern er gerne spielt. Seine Arbeit als "Spezialist für Blutspurenanalyse" bringt ihn nicht nur mit Leichen in Kontakt, sie führt ihn auch regelmäßig vor Gericht. Ideal, denn dort sucht er seine Opfer. Die sind selbst Mörder. Und das ist nun das Besondere: Dexter lebt seine perverse Energie im Sinne der "Gerechtigkeit" aus. Er tötet die Täter.

... abgetrennte Körperteile

Der Zuschauer kann da nur staunen zwischen Ekel und Faszination auf so viel unverhüllte Einblicke. Dexter Morgan lässt uns an seinen Gedanken teilhaben. Nichts bleibt verschlossen. Hier bekommt man serviert, wie ein Mörder tickt. Dem das Töten übrigens in den Genen steckt: Als Kind killte er Tiere, und als Teenager verfügte er über ein Sortiment an Messern, um das ihn jeder Chirurg beneidet hätte. Der Adoptivvater bringt ihn auf die Idee, seinen Zwang "sinnvoll" zu nutzen.

In den USA fährt der Bezahlsender Showtime mit Dexter Höchstquoten ein und gab bereits eine dritte Staffel in Auftrag, Schwesternsender CBS zeigt das Gemetzel seit Mitte Februar frei - in einer entschärften Fassung. Konservativen Familienschützern ist das, wie berichtet, zu wenig, sie fordern CBS-Werbekunden zum Boykott der Serie auf. Bei Premiere müssen die Folgen extra mit Eingabe eines PIN-Codes entsperrt werden.

Gegenentwurf

Es wäre ein großes Missverständnis, "Dexter" als gewaltverherrlichend und selbstjustizlerisch abzutun. Erstens ist der Vollstrecker schuldig wie seine Opfer. Zweitens karikiert die Serie die aalglatten Forensiker aus "CSI", die ohne Schuld und Charakter in den Körpern der Ermordeten herumfuhrwerken. "Dexter" bietet schließlich einen Gegenentwurf zum TV mit seinen zu einfachen Lösungen. Als ob es nicht schon genug wäre: Mit Fortdauer der Serie wird unser Held selbst zum Gejagten. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 28.2.2008)