Einblick in die Ministerratssitzung: In dieser Koalition reden derzeit alle aneinander vorbei. Minister Josef Pröll telefoniert, Kanzler Alfred Gusenbauer vertieft sich derweil stirnrunzelnd in seine Papiere.

Foto: Matthias Cremer
Wien – ÖVP und SPÖ übten sich auch am Mittwoch in Blockade und Kleinkrieg: Gestritten wird über Stilfragen, aber noch mehr über Inhalte – vor allem über das Vorziehen der Steuerreform auf 2009, wovon die ÖVP nichts wissen will. Man geht ostentativ getrennte Wege – wobei die Spitzen der Regierung die jeweils andere Seite zum Arbeiten auffordern und versichern, dass sie keine Neuwahlen wollten. Einzig Wissenschaftsminister Johannes Hahn wagt in der Presse eine Prognose: "Heuer wird gewählt" – Nachsatz: Wenn der SPÖ-Parlamentsklub so weitermache. Namhafte Politologen teilen Hahns Ansicht: In der "ZiB 2" sagten Anton Pelinka, Fritz Plasser und Herbert Dachs, sie hielten Neuwahlen im heurigen Jahr für "wahrscheinlich". Nur der Politikwissenschafter Peter Filzmaier meinte, sowohl für SPÖ als auch für ÖVP mache dies keinen Sinn, "weil keine Partei dabei gewinnen könnte". Der "Knackpunkt" in den nächsten Wochen werde die Steuerreform sein – darüber waren die Politikexperten einig.

Bei der Ö1-Diskussion "Im Klartext" am Mittwochabend betonten sowohl SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina als auch ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon, dass ihre Parteien keine Neuwahlen ansteuern würden. Kalina unterstrich, dass derzeit keine der Regierungsparteien davon profitieren würden. Missethon begründete das Aufrechterhalten der Großen Koalition auch nach der Einsetzung eines U-Ausschusses damit, dass seiner Partei die Umsetzung des Regierungsprogramms und der Pakt mit der SPÖ "viel Wert ist". Beim U-Ausschuss will die ÖVP laut Missethon zwar "mitarbeiten", er verwies aber darauf, dass bei den Ausschüssen zu Banken und Eurofighter "nichts an politisch relevanten Dingen" herausgekommen sei.

"Nicht einfach kommentarlos hinnehmen"

Was der Ausschuss bringen soll, ließ der Vorsitzende des Innenausschusses, SPÖ-Abgeordneter Rudolf Parnigoni, im Chat mit derStandard.at offen. Ministerrücktritte infolge solcher Ausschüsse habe es schon gegeben, für wahrscheinlich hält er sie aber nicht. Im Hintergrund bastelt die ÖVP längst an einem Racheplan. Ohne ins Detail gehen zu wollen, gab das schwarze Innenausschuss-Duo, Abgeordneter Helmut Kukacka und Justizsprecher Heribert Donnerbauer, das am Mittwoch auch unumwunden zu: Es liege "auf der Hand", erklärten die beiden, dass ihre Partei die rote Zustimmung zu einem Untersuchungsausschuss "nicht einfach kommentarlos hinnehmen" werde. Derzeit werde intern eine Gegenstrategie beraten. In den vergangenen Tagen lancierten Funktionäre bereits, dass auch der anstehende Rohbericht des Rechnungshofes, der den Eurofighter-Deal von Norbert Darabos unter die Lupe nimmt, gegen die SPÖ ausgeschlachtet werden könnte. Auch von Fremdengesetzen, bei den FPÖ und BZÖ im Nationalrat mitstimmen könnten, war die Rede.

Die ÖVP ist überzeugt: Die Installierung eines U-Ausschusses gegen die ÖVP "ist ein seit langem geplantes, abgekartetes Spiel" (Kukacka), was sich etwa dadurch zeige, dass die SPÖ für ihren Entscheid den Justizausschuss am Freitag nicht abgewartet habe, zu dem der Staatsanwalt im Bawag-Verfahren und der im Fall Kampusch ermittelnde Staatsanwalt geladen sind. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2008)