Oberösterreichs SPÖ-Landesrat Josef Ackerl plädiert für eine SPÖ-Minderheitsregierung, sollte die ÖVP ein Vorziehen der Steuerreform verweigern. In diesem Fall hätte er auch keine Berührungsängste mit der FPÖ, sagte er zu Günther Oswald.

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STANDARD: Kanzler Alfred Gusenbauer will die Steuerreform auf 2009 vorziehen. Was halten Sie davon?

Ackerl: Das verlange ich seit einem Jahr. Es ist notwendig, dass wir die von Gusenbauer zitierte Gruppe (1200 bis 3900 Euro, Anm.) entlasten. Zusätzlich müssen wir etwas für jene tun, die ein so niedriges Einkommen haben, dass sie abzüglich der Sozialversicherung keine Lohnsteuer zahlen. Diese Gruppe ist von der Teuerung genauso betroffen.

STANDARD: Die ÖVP wird aber wohl für ein Vorziehen der Steuerreform nicht zu haben sein.

Ackerl: Diese Frage müssen wir jetzt mit der ÖVP diskutieren. Das ist eine Herausforderung, der sie sich stellen muss. Wenn das nicht funktioniert, werden wir aber die Diskussion führen müssen, ob wir uns nicht andere Partner suchen.

STANDARD: Das heißt, wenn die ÖVP bei der Steuerreform nicht mitmacht, sollte man eine SPÖ-Minderheitsregierung anstreben, die von der Opposition gestützt wird?

Ackerl: Ich bin schon dieser Meinung. Ich glaube nicht, dass Neuwahlen notwendig sind.

STANDARD: Wäre es aus Ihrer Sicht egal, wenn man dafür auf FPÖ-Unterstützung angewiesen ist? Kanzler Gusenbauer wollte am Sonntag ja eine Koalition mit den Freiheitlichen auch nicht dezidiert ausschließen.

Ackerl: Es wäre schon früher egal gewesen. Sicher gibt es Bereiche, wo wir mit den Freiheitlichen kaum Vereinbarungen treffen können, wo es diametral entgegengesetzte Ansichten gibt. Aber es gab auch immer etliche Sachbereiche, für die im Parlament einstimmig entschieden wurde. Der Charakter dieser Entscheidungen würde sich jetzt halt ändern. Es gibt kein prinzipielles Problem mit der FPÖ, es geht nicht um eine Koalition. Wenn die ÖVP aber nicht regieren will, dann muss man ihr schon sagen: Liebe ÖVP, es gibt die Möglichkeit, freiwillig aus der Regierung auszuscheiden.

STANDARD: Eine Minderheitsregierung wäre also weniger eine ideologische Frage und mehr eine der reinen Sachkooperationen?

Ackerl: Genau. Dann kann man sich auch die ganzen bildungspolitischen Fragen noch einmal anschauen. Ich halte auch hier neue Mehrheiten für möglich. Es gibt beim BZÖ und den Grünen zum Teil ähnliche Auffassungen. Es gibt eine Reihe von Themen - außer beim Fremdenrecht -, wo es nicht so gravierende Unterschiede gibt, dass man nicht vernünftige Inhalte mit anderen beschließen kann.

STANDARD: Dann wird aber vielleicht auch die ÖVP mit FPÖ oder BZÖ Beschlüsse fassen - etwa beim Fremdenrecht.

Ackerl: Mit der FPÖ wird die ÖVP nichts zusammenbringen, wenn dann nur mit den Orangen. Und ich weiß nicht, wie man das Fremdenrecht noch verschärfen könnte. Außer man sperrt alle in ein Lager. Das würde aber wohl die ÖVP auch nicht wollen.

STANDARD: Sie meinen also, vom freien Spiel der Kräfte würde die SPÖ stärker profitieren als die ÖVP?

Ackerl: Das Risiko ist für die ÖVP größer. Wenn sie nicht mehr wollen, dann sollen sie gehen. Man soll Leute, die nicht willig sind, nicht aufhalten. Gusenbauer hat eh schon ein halbes Jahr zu lange zugeschaut.

STANDARD: Aber würde eine Minderheitsregierung von der Bevölkerung auch akzeptiert?

Ackerl: Die Wähler entscheiden sehr kurzfristig. Sie sind jetzt mit der SPÖ unzufrieden, weil vieles von dem, was angekündigt wurde, nicht oder nur schlecht umgesetzt wurde. Insofern kann es sein, dass sich jene Wähler, die sich jetzt in den Wartesaal der Nichtwähler zurückgezogen haben, wieder mobilisieren lassen. Und allen kann man es ohnehin nie recht machen.

STANDARD: Und wie lange könnte das gutgehen?

Ackerl: Das kommt auf die ÖVP an. Ich glaube aber nicht, dass eine der beiden großen Parteien ein Interesse daran hat, unbedingt eine Wahl zu schlagen.

STANDARD: Ist die Minderheitsregierung eine Einzelmeinung von Ihnen, oder gibt es hier breitere Unterstützung in der SPÖ?

Ackerl: Wir haben das parteiintern in den Gremien noch nicht diskutiert. Wenn die ÖVP aber bei der Steuerreform nicht mitgeht, gehe ich davon aus, dass viele meiner Meinung sind. Und diesmal geht die Diskussion direkt von der Parteispitze aus. Ich gehe daher davon aus, dass das noch breitere Kreise ziehen wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2008)