Ludwig Christian Müller (53) (links), geboren in Salzburg, ist stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie der Medizinischen Universität Innsbruck. Er studierte in Wien, war Universitäts-Assistent am Institut für Krebsforschung, machte anschließend seine Facharztausbildung in Innsbruck. 1992 habilitierte er sich für das Fach Chirurgie. Er ist eingetragener Facharzt für Herz- und Thoraxchirurgie.

Johannes Bonatti (46) (rechts), aufgewachsen in Kitzbühel, studierte in Innsbruck und machte in Kitzbühel seine Turnus- und Notarztausbildung. Es folgte ein Studienaufenthalt am Medical College of Virginia, dann die Fachausbildung für Allgemeinchirurgie und Herzchirurgie in Innsbruck. Habilitation: 2001. Der Pionier der Roboter-Herzchirurgie in Österreich leitet das Roboter-Programm am Herz-Zentrum Innsbruck.

Foto: Standard/ Darko Todorovic
Roboter assistieren Chirurgen bei Herzoperationen, minimalinvasive Techniken machen große Schnitte überflüssig. Jutta Berger sprach mit den Innsbrucker Herzchirurgen Ludwig Müller und Johannes Bonatti über Chancen und Grenzen neuer Technologien im Operationssaal.

STANDARD: Wie funktioniert eine Operation mit Robotertechnologie?

Bonatti: Der Patient wird wie für eine normale Herzoperation vorbereitet. Man dockt die Arme des Roboters an den Patienten an, über ganz kleine Löcher an der Seite des Brustkorbs führt man eine Kamera, die vom Roboter gesteuert wird und Arbeitsinstrumente ein. Der Chirurg sitzt ohne sterilen Mantel an der Konsole und steuert Maschinen mit einem "Joystick". Der Roboter führt nicht selbstständig ein Programm durch, sondern übersetzt die Bewegungen des Chirurgen.

STANDARD: Verliert der Chirurg am Steuerpult nicht den Kontakt zum Patienten?

Bonatti: Der Kontakt wird sogar intensiviert. Es sind besonders faszinierende Einblicke durch die 3-D-Kamera möglich, man hat das Gefühl direkt im Brustkorb zu sein und dort an den Herzkranzgefäßen oder anderen Strukturen zu operieren. Räumliche Distanz ist zwar vorhanden, aber man hat zu diesen Patienten eine besondere Beziehung, weil man sie sehr genau untersucht, lange und intensiv mit ihnen spricht. Die Maschine bleibt ein Tool, im Vordergrund steht die Operation, auf die man sich konzentrieren muss.

Müller: Der mechanische Kontakt ist ein anderer. Wenn ich als Chirurg am Operationstisch stehe und am Patienten arbeite, besteht ein taktiles Feedback. Ich spüre das Gewebe über meine Hände oder die Instrumente, das ist beim Roboter nicht der Fall. Man operiert ausschließlich visuell gesteuert.

STANDARD: Was bedeutet der Robotereinsatz für die Universität?

Müller: Bei innovativen Techniken geht es um Wissens- und Erfahrungsgewinn. Insgesamt steigen Niveau und Qualität der Chirurgie und damit die Qualität der Klinik. Es ist aber nicht immer einfach, Innovationen gegenüber dem Träger durchzusetzen. Ein Beispiel sind die neuen Transkatheter-Verfahren. Man kann Aortenklappen durch kleinste Schnitte über Kanülen ersetzen. Eine Klappe kostet ein Mehrfaches der konventionellen Klappen, aber man reduziert das Risiko für den Patienten und spart bei Intensivstations-Kosten, denn das Verfahren ist nur für sehr kranke Patienten vorgesehen. Wir haben derzeit die Genehmigung für zehn solcher Klappen, dann soll der medizinische und wirtschaftliche Erfolg evaluiert werden.

Bonatti: Ich sehe die Entwicklung komplett endoskopischer Verfahren als gesellschaftlichen Auftrag einer Universitätsklinik für Herzchirurgie.

STANDARD: Kommt die Robotertechnologie für alle Eingriffe der Herzchirurgie infrage?

Bonatti: Es sind Operationen, die in die Kategorie Niedrigrisiko, einfachere Eingriffe fallen. Ein einfacher Coronar-Bypass, ein Vorhofscheidewanddefekt, die Platzierung einer Schrittmacher-Elektrode oder Vorhofflimmer-Therapie an der Außenseite des Herzens.

STANDARD: Was kann dabei der Roboter, was der Mensch nicht kann?

Bonatti: Der Roboter ermöglicht komplexere Naht- und Präparationsmanöver überall dort, wo es eng ist und ich viel Bewegungsfreiheit brauche. Wenn man mit kleinen Schnitten arbeiten will, braucht man Technologie. Was ich nicht mit meinen eigenen Augen sehen kann, sehe ich über Video. Der Roboter ist ein zusätzlicher mechanischer Arm, der mir Bewegungen ermöglicht, die mit herkömmlichen Instrumenten nicht durchführbar sind.

STANDARD: Hersteller von Operationsrobotern versprechen, dass der Heilungsprozess nach Roboteroperationen rascher vor sich geht. Das ist aber bei anderen minimalinvasiven Eingriffen, die mit kleinen Schnitten auskommen, auch der Fall.

Bonatti: Der Unterschied ist, dass komplett endoskopische Verfahren möglich sind. Andere minimalinvasive Verfahren verwenden immer noch kleine Schnitte, mit dem Roboter machen wir Eingriffe einzig über Portlöcher. Das Gewebstrauma ist geringer, die Heilungsphase wird reduziert.

Müller: Das Gewebetrauma am Brustkorb des Patienten ist nicht bei allen Roboteroperationen geringer. Die Operationsdauer ist mit dem Roboter länger, was eine Belastung für Patienten darstellt. Die Domäne der Robotertechnologie ist die Bypass-Operation, und hier nur ausgewählte Fälle. Bei Roboter-Mitralklappen-Operationen etwa braucht man zusätzlich Hilfsinzisionen (Anm.: Einschnitte), das ergibt die gleiche Schnittlänge wie bei minimalinvasiver Standardtechnik.

STANDARD: Die Robotertechnologie ist demnach eine ergänzende Technik.

Müller: Es können auch in Zukunft nicht alle Operationen mit Roboter oder minimalinvasiv durchgeführt werden. Letztes Jahr haben wir 15 Prozent all unserer Herzoperationen mit diesen Techniken gemacht, Tendenz stark steigend. Es wird aber immer noch ein guter Teil von Operationen bleiben, der konventionell, mit medianer Sternotomie (Anm: Brustkorberöffnung an der Mittellinie) gemacht werden muss.

Bonatti: Ein roboteroperierter Bypass-Patient kann am fünften Tag nach Hause gehen, ein Patient mit einer Sternotomie muss acht Wochen lang Ruhe geben, darf nichts Schweres tragen, auch keinen Koffer. Der Roboterpatient geht mit seiner Tasche in der Hand aus dem Krankenhaus. Zwei bis drei Wochen nach der Operation sitzt er möglicherweise wieder auf dem Mountainbike und fährt durch die Gegend.

Müller: Die Sternotomie ist nicht das Konkurrenzverfahren. Es gibt zur Roboter-Bypassoperation ein alternatives minimalinvasives Verfahren: Die MIDCAB-Operation mit einem Schnitt von maximal acht Zentimetern, bei der auf die Herz-Lungen-Maschine verzichtet wird. Auch wenn die Patienten nicht gleich wieder auf dem Mountainbike sitzen, weil sie eine kleine Thorakotomie (Anm: Brustkorböffnung) hatten, verläuft die Rehabilitation wesentlich schneller als nach einer Sternotomie.

Bonatti: International haben mehrere Arbeitsgruppen die MIDCAB-Operation wieder aufgegeben, weil sie technisch sehr herausfordernd ist. Es kam zu Problemen mit der Bypassfunktion. Zudem ist die MIDCAB-Operation mitunter auch sehr schmerzhaft. Da hat der Roboter Vorteile.

Müller: Ich sage nicht, dass die MIDCAB-Operation besser ist, sondern dass sie eine Alternative darstellt und man die Roboteroperation nicht mit der großen medianen Sternotomie vergleichen darf. Auch die Roboteroperation ist technisch nicht einfach, braucht sehr viel Training. Die MIDCAB-Operation ist keinesfalls fragwürdig, es gibt hervorragende Ergebnisse auch in großen Serien, die das beweisen. Aus ökonomischer Sicht ist sie günstiger und wesentlich kürzer.

Bonatti: Richtig. Allerdings werden relativ hohe Reoperationsraten berichtet. Das ist bei unseren Operationen nicht der Fall, die Bypässe funktionieren ausgezeichnet.

Müller: Es gibt noch keinen direkten Vergleich zwischen den beiden Methoden, daher sind auch die berichteten Ergebnisse nicht vergleichbar.

STANDARD: Minimalinvasive Eingriffe kommen der ökonomischen Forderung sehr entgegen, den Menschen sehr schnell wieder funktionsfähig zu machen. Wo bleibt die Zeit zur Erholung, zur Heilung?

Bonatti: Der Patient braucht sicher Erholung vom Ereignis der Operation. Vielleicht wiegt aber die Aussicht, schnell wieder in den Alltagsprozess zurückzukönnen, die Sehnsucht nach Erholung auf. Ich sehe nicht die Gefahr, dass er wieder in den Beruf, in den Alltag hineingestoßen wird. Gesundheitsökonomie ist aber sicher ein treibender Faktor für weniger invasive Verfahren.

Müller: Jeder Mensch braucht Zeit, sich mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen. Vor und nach der Operation. Viele Herzerkrankungen sind ja durch unsere Lebensweise mit verursacht. Eine Auseinandersetzung mit der Krankheit wird durch schnelles "Durchschleusen" verhindert.

Bonatti: Die Vision wäre, dass der Patient kommt, auf den OP-Tisch gelegt, in hoher Geschwindigkeit operiert und vielleicht noch am gleichen Tag oder wenige Tage später entlassen wird. Ob die Idee gut ist, lässt sich diskutieren.

STANDARD: Steigt mit der Geschwindigkeit nicht die Fehlerquote?

Bonatti: Das gilt für die Vorstellung, dass man einen Roboter, gefüllt mit den Patientendaten, selbstständig arbeiten lässt. Da wäre die Gefahr gegeben. Aber noch ist alles unter Kontrolle des Chirurgen.

STANDARD: Wie sieht die Zukunft der Robotertechnologie aus?

Bonatti: Es wird ein zusätzlicher Roboterarm dazukommen. Befunde, historisches Datenmaterial, werden eingespielt, um sie unmittelbar bei der Arbeit zu verwenden. Der Roboter wird noch genauer und wendiger, man kann ihn auch für kompliziertere Operationen verwenden.

Müller: Die Robotertechnologie wird bestimmten Bereichen vorbehalten bleiben. Die Kosten der Anschaffung, der Erhaltung und die lange Operationsdauer könnten eine breitere Anwendung verhindern. Die steigende Notwendigkeit über 80- und sogar 90-jährige Patienten herzchirurgisch zu behandeln, steht mit der Zunahme der Roboteroperationen in Konkurrenz. Für diese Altersgruppe sind andere technische Entwicklungen erforderlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2008)