Was der Unterschied zwischen "privat" und "Staat" ist? Einmal angenommen, in einer großen Organisation passiert systematisch Illegales. Wie die Schmiergeldaffäre bei Siemens. Oder die Visa-Affäre im Außenministerium. Dann muss im privaten Bereich der Aufsichtsrat- und der Vorstandsvorsitzende seinen Job abgeben und medienöffentlich Bedauern zeigen. Im staatlichen Bereich hat man es (in Österreich) besser - da braucht kein Hochrangiger Verantwortung übernehmen, sind doch Malversationen alle nur bedauerliche Einzelfälle, die man künftig ganz, ganz sicher verhindert.

Der Pressesprecher des Außenamtes kann einem fast leidtun, wenn er beteuern muss, man sei externen und internen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten bei der Visa-Vergabe sehr wohl nachgegangen. Der Vorsitzende im Visa-Prozess, Peter Liebetreu, hat da nämlich einen ganz anderen Eindruck gewonnen. "Wie kann man x-tausendfachen Amtsmissbrauch begehen, ohne aufzufallen", stellt er sich die Frage. Er prangert "mangelnde Kontrollen" an und stellt fest, dass in Prüfberichten zwar abblätternde Farbe im Konsulat bemängelt wird, es aber keine "nennenswerte Erwähnung des hundertfachen Amtsmissbrauchs" darin gibt. Eines Amtsmissbrauchs übrigens, "von dem alle gewusst haben". Das ist ja interessant an Österreich: Immer haben es alle gewusst, aber jeder geht davon aus, dass es schon in Ordnung ist. Oder der Vorgesetzte schon weiß, was er tut. Oder eh wer anderer was machen wird.

Nach einer derartigen Richterschelte kann es in einer Demokratie aber nicht einfach nur ein paar Presseaussendungen geben. Da muss politisch aufgeklärt und Verantwortung übernommen werden. Und zwar öffentlich - denn das ist eigentlich der Vorteil von "Staat" gegenüber "privat": Er ist eine öffentliche Sache. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 23./24. Februar 2008)