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In Wien soll es keine bettelnden Kinder mehr geben, so lautet der politische Wille. In Graz gibt es sie seit einem gesetzlichen Verbot nicht mehr.

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Die "Drehscheibe" Norbert Ceipeks bietet Kindern von der Straße Beratung und Hilfe.

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Wien/Graz - In der Polizeiinspektion Schmiedgasse, die für die Grazer Innenstadt zuständig ist, ist das Thema längst abgehakt. "Kein Problem", sagt einer der Beamten. "Bettelkinder" seien seit langem "keine mehr gemeldet worden".

In Graz wurde Ende 1996 eine damals sehr umstrittene Verordnung beschlossen, die das Betteln von Kindern und "aufdringliches Betteln" untersagt. Jene zwei, drei Familien, die mit ihrem Nachwuchs in der City gebettelt hatten und Anlass für die strenge Verordnung waren, sind längst weitergezogen. Sie sitzen vielleicht heute noch irgendwo in Italien, Frankreich, Deutschland oder Holland mit neuen Kindern auf der Straße. Oder in Wien - aber das soll sich hier jetzt ändern.

Diese Woche endete die Begutachtungsfrist für die Novelle des Wiener Landessicherheitsgesetzes, in der auch in der Bundeshauptstadt das Betteln von Kindern verboten werden soll - "aggressives und organisiertes" Handaufhalten steht in der Wien bereits unter Strafe. Das Gesetz sieht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 700 Euro oder eine Woche Ersatzfreiheitsstrafe vor. Im Landtag wird die Regelung voraussichtlich Ende März beschlossen, in Kraft treten soll sie im Juni.

Nach dem Beschluss muss das Gesetz von der Bundesregierung genehmigt werden, da es von der Polizei, einem Bundesorgan, vollzogen wird. Damit seien die geplanten Maßnahmen gegen Bettelei in Wien dann ausgeschöpft, sagt die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SP): Ein generelles Bettel-Verbot werde es in Wien niemals geben.

Bettele man mit Kindern, sei der Mitleidseffekt größer und die Passanten in den Wiener Flaniermeilen machten auch mehr Geld locker. "Die Leidtragenden sind dabei immer die Kinder und Babys, die stundenlang ruhig sitzen, beziehungsweise liegen müssen", sagt Norbert Ceipek. Er leitet die "Drehscheibe", das Krisenzentrum des Wiener Jugendamtes. "Geborgte" Kinder

Ceipek hat täglich mit Kindern zu tun, die von der Polizei aufgelesen und zu ihm in die Wasnergasse 33 gebracht werden. Dort warten die vorwiegend bulgarischen und slowakischen Kinder bis die Eltern sie abholen. Bei Ceipek kommen auch kleine Taschendiebe und "geborgte" Kinder unter: "Ausgeliehen" meist an Schlepper oder andere Leute, bei denen die Eltern Schulden haben. "Die Woche dieser Kinder sieht dann so aus: Wochentags müssen sie stehlen oder betteln gehen, am Wochenende werden sie an Pädophile vermittelt und zur Prostitution gezwungen."

Auch kein neues Phänomen ist, dass Minderjährige Blumen oder Zeitungen auf der Straße verkaufen. 72 (nicht nur bettelnde) Kinder von der Straße kamen im vergangenen Jahr in die "Drehscheibe", 2006 waren es 319, im Jahr davor 700. Die Zahl hat abgenommen, unter anderem, weil Wien mit der Regierung in Bulgarien und Rumänien zusammenarbeitet, wo die Kinder in eigenen Zentren betreut werden.

In Graz kennt man laut Angaben des Jugendamtes derartige krasse Formen der Kinderbettelei und -arbeit nicht. An "verborgte" Kinder könne er sich nicht erinnern, die jungen Bettler oder Musikanten seien stets in Obhut ihrer Eltern angetroffen worden, sagt Vasiliki Argyropoulos von Grazer Jugendamt. Ärztliche Untersuchungen hätten zudem ergeben, dass die Kinder "gut ernährt und gesundheitlich OK" gewesen seien. Agyropoulos: "Roma ziehen in Gruppen durch Europa, der Nachwuchs ist immer mit dabei, eben auch beim Broterwerb, dem Betteln. Den Kleinen gehe es hier im Schnitt besser als in ihren Herkunftsländern." Hilfe zur Selbsthilfe In Graz versucht "Armenpfarrer" Wolfgang Pucher daher seit Jahren, in der Slowakei Projekte zur Selbsthilfe auf die Füße zu stellen. Auch Norbert Ceipek hat geholfen, in den Heimatländern Krisenzentren mit Sozialarbeitern aufzubauen. Er schätzt, dass ungefähr 100 Familien mit Kindern täglich betteln. Trotz der Projekten in der Herkunftstaten würden Bettler Teil des Stadtbilds bleiben. Noch lasse sich im wohlhabenden Wien mehr verdienen, als es daheim an Sozialhilfe gebe. (Marijana Miljkovic/Walter Müller/ DER STANDARD, Printausgabe, 23./24. Februar 2008)