Ein junger Journalist wurde jüngst für eine Satire zum Thema Frauenrechte zum Tode verurteilt

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Afghanische Frauen lebten immer schon unabhängig von den verschiedenen Herrschaftsformen im Land in einer umfassenden Situation der Bedrohung und Gewalthaftigkeit. Aber unter den Taliban waren sie Zielscheibe besonderer Aggressivität, es wurde ihnen der Krieg erklärt. Die Verbannung der Frauen aus der Öffentlichkeit war ein Eckpfeiler der Herrschaftsstrategie.

Eine der ersten Verordnungen ließen ahnen, was auf die Frauen des Landes zukommen würde: Im Frühjahr 2001 wurde verkündet, dass Frauen in der Öffentlichkeit sicherstellen müssen, dass ihre Silhouette „keine menschliche Form“ aufweist, der Besuch von öffentlichen Parks war verboten. Ganz klar, die Herrenmenschen wollten unter sich bleiben. Es gab keinen heterosexuellen Alltag. Aber dann kam die Befreiung, die Taliban wurden gestürzt, das Land gebombt – unter Berufung auf die Dringlichkeit der Einführung von Demokratie und Frauenrechten.

Heute sind die Taliban wieder am Einmarsch, aber eigentlich waren sie nie weg. Wir haben uns bereits gewöhnt an die jährlich wiederkehrenden Berichte der Frühjahrsoffensiven der religiösen Krieger, die nach dem langen Winter in den Bergen wieder mobil machen gegen die aufkeimende Zivilgesellschaft im Land.

Auch für die städtischen Eliten wird das Leben wieder zunehmend gefährlich. Denunzierungen und Säuberungsaktionen stehen an der Tagesordnung. Das jüngste dramatische Beispiel dafür ist der 23-jährige Journalist Pervez Kambaksh, der ins Visier der lokalen Fundamentalisten geraten ist. Die Anklage lautet auf Blasphemie wegen Verteilung gotteslästerlichen Materials. Er hat einen Text über Frauenrechte von einer iranischen Website heruntergeladen. Darin wurde in ironischem Ton ein kleines Gedankenexperiment durchgespielt: Wie wäre es wohl, wenn analog zu den religiösen Bestimmungen, die Männern vier Frauen gestatten, auch Frauen die Möglichkeit hätten, vier Männer zu heiraten.

Das Todesurteil

Der junge Journalist hat übersehen, dass die gesamte Staatsräson auf blindem Gehorsam basiert; spielerisches Austesten von Grenzen durch den Einsatz von Humor und Witz haben in totalitären Regimen Konsequenzen. Und diese sind für Herrn Kambaksh dramatisch. Er wurde umgehend zum Tode verurteilt. Seine Familie hat es aber gewagt, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sein Bruder Yaqub Ibrahimi, ebenfalls ein Journalist, der den Behörden schon eine Weile ein Dorn im Auge ist, da er Figuren des öffentlichen Lebens und des Parlaments schwerer Übergriffe beschuldigte, musste nach der Verhaftung von Pervez untertauchen.

Die internationale Öffentlichkeit hat diesmal aber umgehend und entschlossen reagiert. Der Fall Pervez wurde vom englischen Independent aufgegriffen, die Zeitung startete eine einmalige Medienkampagne: Innerhalb von 14 Tagen wurden 80.000 Unterschriften gesammelt, um die Hinrichtung abzuwenden. Condoleezza Rice und Staatssekretär David Miliband haben bei ihrem Kurzbesuch in Kabul Hamid Karzai gegenüber ihre Sorge um die Sicherheit von Pervez zum Ausdruck gebracht, und der Präsident hat ihnen versprochen, dass „Gerechtigkeit exerziert wird“.

„Junge Demokratie“

Es ist allerdings zu befürchten, dass Pervez noch einige Monate im Gefängnis schmachten wird müssen, in einer Zelle, die bevölkert ist von Mördern und religiösen Fanatikern, misshandelt von seinen Bewachern. Condoleezza Rice spricht von der „Notwendigkeit, internationale Normen zu respektieren“, aber man müsse bedenken, dass Afghanistan „eine junge Demokratie“ sei. Und Hamed Karzai? Er hat als Präsident die rechtlichen Instrumente in der Hand, das Urteil des islamischen Gerichtshofs in Mazar-e-Sharif aufzuheben. Aber die Stammesälteren und religiösen Führer haben bereits Demonstrationen veranstaltet, um klarzustellen, dass das Urteil unumstößlich sei.

Gefangen zwischen den Mullahs und den Forderungen der westlichen Verbündeten, kämpft Karzai um sein eigenes politisches Überleben. Condi und Hamid in einem absurden „balancing act“ verstrickt, sind unter Druck, eine Demokratie, die keine ist, zu vermarkten. Und Pervez ist ein unangenehmer Störfall, der einer breiten westlichen Öffentlichkeit unbequemerweise bekannt wurde und sich nun gar zum Prüfstein für die tatsächlichen Freiheitsgrade in Afghanistan entwickelt hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2008)