Nach offizieller Darstellung Moskaus ist der Tschetschenien-Konflikt "gelöst", die Lage in der Kaukasus-Republik wieder völlig normal. Dies drückte sich etwa darin aus, dass bei den russischen Parlamentswahlen vom 2. Dezember 2007 in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny (sie wurde im Jahr 2000 von russischen Truppen fast völlig zerstört) laut amtlichem Ergebnis 99 Prozent für die Kreml-Partei "Einiges Russland" stimmten (ein Prozent für die KP, Wahlbeteiligung 99 Prozent).

Garant dieser Art von Normalität ist der seit April 2007 amtierende Präsident Ramsan Kadyrow (31). Er wird von Kreml-Chef Wladimir Putin protegiert und hat praktisch freie Hand. Die von ihm seit seiner Zeit als Sicherheitschef kommandierten Milizen werden für die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen (Verschwindenlassen, Folter, Geheimgefängnisse) verantwortlich gemacht.

Menschenrechtsorganisationen räumen eine Verbesserung der Lage in Tschetschenien einschließlich des Wiederaufbaus der Infrastruktur ein. Im jüngsten Bericht von Human Rights Watch heißt es aber, es würde kaum etwas getan, um das Schicksal der seit 1999 verschwundenen 5000 Menschen zu klären. Das UN-Flüchtlingskommissariat empfiehlt in einer Stellungnahme vom Herbst 2004, die nach wie vor gültig ist, Asylwerber aus Tschetschenien mangels einer echten Fluchtalternative innerhalb Russlands weiter als Personen anzusehen, die internationalen Schutz benötigen. In den beiden Tschetschenien-Kriegen kamen unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 90.000 und 160.000 Menschen ums Leben. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 22.2.2008)