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Im Herbst startet die "Neue Mittelschule" mit 155 Klassen. Schon jetzt gibt es Engpässe. In Kärnten kommen auf einen Platz fast sechs Kinder.

Foto: apa/fohringer
Wien - Rudolf Altersberger ist gespaltener Meinung. Einerseits freut sich der Vizepräsident des Kärntner Landesschulrats über "extrem viele Interessenten" für die Neue Mittelschule (NMS), die "alle Erwartungen übererfüllt haben". Andererseits weiß der SPÖ-Politiker auch von einer damit zusammenhängenden "pädagogischen Katastrophe" zu berichten. Denn: Es gibt viel mehr Anmeldungen für die vier NMS-Klassen, die in Klagenfurt 100 Schüler - laut "Projekt 25" mit maximal 25 Kindern pro Klasse - aufnehmen können.

Für die NMS-Klasse, die in der Praxishauptschule der Pädagogischen Hochschule Klagenfurt im Herbst starten soll, gibt es rund 140 Interessenten, darunter sind 88 Anmeldungen und zwei Volksschulklassen, die geschlossen in die Neue Mittelschule überwechseln wollten - die also dem Idealbild der gemeinsamen Schule bis 14 entsprechen würden.

Schulplatz-Kasino

Nun aber kommt die "Katastrophe" ins Spiel, von der Altersberger im Standard- Gespräch erzählt. "Sie wollen die so begehrten Schulplätze wie im Kasino verlosen." Die Praxis-Hauptschule wolle nur mit einer Klasse mitmachen und keinen Schüler mehr als die vorgegebenen 25 aufnehmen. Um eine Durchmischung der Klasse zu erreichen, sollen vier Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und je zur Hälfte AHS-reife und Hauptschulkinder aufgenommen werden - "per Losentscheid. Das ist traurig und ein großer Blödsinn dazu", kritisiert Altersberger diese "Kasino-Pädagogik".

Der Vorgang zur Vergabe der NMS-Schulplätze sei besonders problematisch, weil die Eltern zu Recht sagen würden: "Wir lassen uns nicht verlosen. Da gehen wir gleich in die AHS, da kriegen wir sofort einen Platz." Eine der Volksschulklassen, die eigentlich lieber als Ganze in die NMS wollte, hat sich bereits fast komplett für ein Gymnasium entschieden.

"Total überrascht"

Das treffe einen weiteren Punkt, den Altersberger als besonderen Erfolg ansieht: "Fast zwei Drittel aller Kinder, die in die Neue Mittelschule wollen, haben beste Zeugnisnoten, wären also AHS-Kandidaten. Das hat uns total überrascht. Ihre Eltern haben sich bewusst für die gemeinsame Schule entschieden, weil sie vom pädagogischen Angebot mit individueller Förderung und Team-Teaching angezogen werden." Bemerkenswert sei auch, "dass vor allem Eltern mit sehr hohem Bildungsniveau, die Neue Mittelschule favorisieren".

Ebenfalls überbucht sind laut Altersberger die beteiligten Kärntner kirchlichen Schulen (Bischöfliches Gymnasium St. Ursula der Diözese Gurk, Hauptschule St. Ursula) mit ihren drei NMS-Klassen für 75 Kinder.

Altersberger fordert jetzt von seiner Parteikollegin Bildungsministerin Claudia Schmied, dass sie "so viele Plätze, wie nachgefragt werden, zur Verfügung stellt. Es wäre ideal, wenn ganze Klassen wechseln könnten."

Ein Ansturm auf die Neue Mittelschule wird auch aus der Steiermark und dem Burgenland gemeldet. Eva Ponsold vom steirischen Landesschulrat hat, noch bevor am Montag die offizielle Anmeldefrist für 61 NMS-Klassen (1525 Plätze) beginnt, "sehr großes Interesse der Eltern" registriert. Burgenlands Landesschulratspräsident Gerhard Resch berichtet nach einer Anmeldewoche ebenfalls von "sehr großem Andrang" auf die 475 NMS-Plätze in 19 Klassen. "Mehr als die Hälfte davon wollte ursprünglich ins Gymnasium gehen", sagte Resch zum Standard.

Die Richtigkeit der Entscheidung für die Neue Mittelschule sah Bildungsministerin Schmied am Donnerstag wieder bestätigt durch Zahlen der Statistik Austria zur Schulkarriere der Absolventen von AHS-Unterstufe und Hauptschule. Demnach wechseln 91 Prozent aller Schüler der AHS-Unterstufe nach der achten Stufe in eine höhere Schule, aber nur rund ein Drittel (34 Prozent) der Hauptschüler landet in einer zur Matura führenden Schule.

Die Bildungswegentscheidung mit neun Jahren sei "zu früh und führt zu sozialen Ungerechtigkeiten", sagte Schmied. Die Neue Mittelschule soll durch die um vier Jahre nach hinten verlegte Trennung diese Schieflage korrigieren. Mit 14 Jahren könne gerechter entschieden werden. ( Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 22. Feber 2008)