Michel Legrand (li.) über die jazzige Zusammenarbeit mit Pianist Chucho Valdés (re.) beim ersten der acht Abo-Konzerte: "Ich schätze die Möglichkeit, sich gegenseitig immer wieder zu überraschen."

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Legrand im Gespräch mit Andreas Felber über seine lebenslange Jazzleidenschaft und das berühmte Album "Legrand Jazz".


Jetzt wollen wir's endlich einmal wissen! Was hat Nadia Boulanger, die große französische Komponisten-Pädagogin, die einst in Astor Piazzolla gar den Funken des "Tango Nuevo" entzündete, denn so vom Jazz gehalten? "Sie verstand nicht, was das war, aber sie unterstützte mich in meinem Interesse", so erinnert sich Michel Legrand lächelnd. "Sie war meine Lehrerin, meine Mentorin, meine Mutter. Auch wenn sie manchmal sagte: Halte dich nicht zu viel mit dem Jazz auf, klassische Musik ist viel interessanter!"

Michel Legrand, der in den späten 40er-Jahren Boulangers Unterricht am Pariser Conservatoire genoss, war der Jazz nicht auszutreiben. Im Alter von drei Jahren, so erzählt er, hätte er erstmals im Radio jene Musik gehört, und der so entfachten Liebe sei er sein gesamtes Leben lang treu geblieben. Auch wenn Legrand ab den 60er-Jahren in einem anderen Genre, als Filmmusikkomponist, zu weltweiter Bekanntheit kommen sollte: "Die Regenschirme von Cherbourg", "The Thomas Crown Affair", "Summer of 42" und "Yentl" seien genannt, drei Oscars und fünf Grammys wurden dafür überreicht.

Doch trotz dichter Auftragsserien aus Hollywood blieb der Jazz ein Thema: "Jazz hat etwas Geheimnisvolles. Wenn die Musik swingt, dann ist das mirakulös. Mein Traum war es immer, mit Jazzern zu spielen", so Legrand, der folgerichtig den Bebop, den noch den traditionellen rhythmischen und harmonischen Kriterien verpflichteten Jazz der 40er-Jahre, als bevorzugten Stil angibt.

Seine bis heute berühmteste Jazzplatte war interessanterweise seine allererste: "Legrand Jazz" heißt das Werk aus dem Jahre 1958, für das der damals 26-Jährige, eine Art "Crossover-Wunderkind der 50er-Jahre" (Peter Niklas Wilson), der in jener Zeit auch das Begleitorchester von Maurice Chevalier dirigierte, von seiner Plattenfirma eine "Carte blanche" erhielt - und diese dafür nützte, in New York gleich Miles Davis, John Coltrane, Bill Evans, Ben Webster, Herbie Mann um sich zu scharen und ihre Soli in raffinierten, farbenreichen Orchesterarrangements einzufassen.

Viel Prominenz

50 Jahre später ist "Legrand Jazz" immer noch dominierend präsent - obwohl der mittlerweile in Ehren ergraute Komponist und Pianist weitere Alben mit Phil Woods, Miles Davis (dessen letzte Platte "Dingo", 1991), Stéphane Grappelli u. a. aufgenommen hat. ",Legrand Jazz' findet sich noch heute in den Geschäften. Es war ein großer Erfolg, deshalb werde ich ein Album mit dem Titel 'Legrand Jazz Volume 2' aufnehmen", so Legrand, der über das neue Werk noch nicht mehr verraten möchte, als dass für das Repertoire ähnliche Auswahlkriterien gelten werden: "Ich werde sehr bekannte Jazzkompositionen verwenden. Wenn ich Arrangements mache, möchte ich, dass die Leute das Stück kennen - um so das neue Arrangement genießen zu können."

Wobei das Jahr 2008 für Legrand überhaupt eines sein dürfte, das mehr als andere im Zeichen seiner jazzigen Passion steht: Nachdem er im Februar mit Bassist Ron Carter und Drummer Lewis Nash eine Woche lang im New Yorker Birdland gastierte, wird der mittlerweile 76-Jährige, der 2005 im Rahmen des Jazzfest Wien sein spätes Österreich-Debüt feierte, im Konzerthaus mit dem Pianistenkollegen Chucho Valdés, dem ebenfalls Grammy-geadelten kubanischen Virtuosen und "Irakere"-Begründer, erwartet.

Ein Frankreich-Konzert der beiden war vor einigen Jahren der auslösende Impuls für Charles Aznavours Entschluss, sich für seine jüngstes Album "Colore ma vie" nach Havanna und also unter die Arrangement-Fittiche von Chucho Valdés zu begeben. Legrand schätzt am Spiel mit dem 66-Jährigen die Möglichkeit, "sich gegenseitig immer wieder zu überraschen. Wir werden Stücke aus meiner Feder spielen, Filmkompositionen wie 'What Are You Doing The Rest of Your Life?'", so lässt er vorab verlautbaren.

Was sich gerade in Legrands CD-Player befinde? "Im Moment ist das Ravels 'Concerto in G'. Das mit den kleinen Jazzeinflüssen im dritten Satz. Ich höre viel Musik, Altes, Neues, Musik jeden Stils. Das ist meine Nahrung!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.2.2008)