Ottawa/Berlin - Für den ehemaligen kanadischen Botschafter in Belgrad, James Bissett, setzt sich die kosovarische Führung, die am Sonntag die Unabhängigkeit proklamiert hat, aus "Kriegsverbrechern" zusammen. "Sie haben unter der NATO-Besatzung fast die gesamte nichtalbanische Bevölkerung vertrieben, über 150 christliche Kirchen und Klöster zerstört. Die Unabhängigkeit des Kosovo wird den Traum eines 'Groß-Albanien' anheizen und den Balkan weiter destabilisieren", sagte der Diplomat in einem Interview mit der deutschen Zeitung "Junge Welt" (Montag-Ausgabe) voraus.

"Die Unabhängigkeit des Kosovo bricht das Völkerrecht. Die Charta der Vereinten Nationen und die Schlussakte von Helsinki werden verletzt. Die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unverletzbarkeit der Grenzen sind elementare Gesetzmäßigkeiten, die nicht nach Lust und Laune der NATO-Länder beiseite gewischt werden können. Diese Prinzipien zu ignorieren, bedeutet, die wesentlichen Grundsätze für die Beziehungen zwischen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu verletzen. Die USA zeigen ein perverses Interesse, für die albanische Seite auf dem Balkan einzutreten. Das ist bekannt. Wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien hier gehorsam folgen, enttäuscht mich aber sehr", sagte Bissett.

"Der NATO-Krieg gegen Serbien hatte nichts mit serbischen Verbrechen zu tun, er diente schlichtweg zur Legitimation des Fortbestehens und der Umwandlung der NATO", betonte der frühere kanadische Botschafter. "Lange bevor (Präsident Slobodan) Milosevic 1989 den Autonomiestatus des Kosovo aufhob, verfolgten die Kosovo-Albaner die Abspaltung von Jugoslawien.

Das harte Durchgreifen der serbischen Sicherheitskräfte war die Reaktion auf den bewaffneten Aufstand der (Untergrundorganisation) UCK (des heutigen Kosovo-Regierungschefs Hashim Thaci). Diese verübte Anschläge auf serbische Beamte und Polizisten. Auch Albaner, die den Kampf der UCK nicht unterstützen, mussten oft mit dem Leben bezahlen".

Geheimdienste bewaffneten UCK

"Die Slowenen haben den Stein ins Rollen gebracht, als sie das Kosovo-Problem als Propagandamittel nutzten, um ihre eigene Sezession von Jugoslawien zu rechtfertigen. Das war Teil des Mythos eines drohenden 'Groß-Serbien'", so Bissett. "Unterdessen weiß man, dass amerikanische und britische Geheimdienste die UCK bewaffnet und ausgebildet und schließlich im Kosovo zum Einsatz gebracht haben.

Der Weg, die NATO im Sinne der USA in ein aggressives Militärbündnis zu verwandeln, das auf eigene Faust überall und jederzeit angreifen kann, war also eine ausgeklügelte Sache. Dass dem Kosovo nun die Unabhängigkeit gegeben wird, ist Teil dieser Entwicklung." (APA)