Wie kann man Afrika erklären? Karim Chérif im direkten Vergleich mit einem Steppenbewohner.

Foto: Werner
Wien – Der jüngste, 26. Abend der "Spieltriebe" im Kasino des Burgtheaters am Wiener Schwarzenbergplatz gehört den großen Shakespeare-Erkundungen im Haupthaus an die Seite gestellt: der Absicht nach. Er erzählt von Kenia, von der Steppe Afrikas – und von den flackernden Bildern, die der Wohlstandseuropäer mit der Handkamera anfertigt, um sie später, wenn der archivarische Ehrgeiz offenbar erlahmt ist, in einer Flohmarktkiste zu verramschen. Dort, in der Burg, vermisst man einen ganzen Kontinent: Shakespeares Heidelandschaften, wo die Könige zu Narren, die Narren aber zu Wahrsprechern werden. Dabei ist der Erdteil "Shakespeare" geologisch wenig ergiebig. Sein Schöpfer hat ihn aus Sprache geformt. Afrika, der reale "dunkle" Kontinent, ist geologisch vielschichtiger, hat es aber real schwerer: Um ihn scheren sich die Weltbank, kleinere UNO-Abteilungen; vielleicht ein paar Geldsammler und Entwicklungshelfer. Der Rest besteht aus Mutmaßungen – und jenen Anwandlungen eines gedämpften Grauens, von denen Joseph Conrads Herz der Finsternis handelt.

Der Kasino-Abend Die Legenden von "Afrika 2fishes" ist eine Versuchsanordnung: Sauber gedeckte Banketttische im Zuschauerraum lassen zunächst an ein Fundraising-Dinner denken. Stattdessen präsentieren vier Burgschauspieler in lichter Sommerkleidung Relikte einer abgelegten Zeit: Super-8-Filme, die zwei Pärchen auf Safari zeigen – Durchschnittsmenschen, deren Wohlstandskörper aus dem Leim der Freizeitkleidung gehen. Paviane, die auf ein Autodach klettern.

Die merkwürdige Stimmung, die von diesen Amateurbildern ausgeht, atmet den spätlibertären Geist der 1970er-Jahre. Die Barttracht lässt an Softpornos denken; man kann unbefangen über Partnerkonstellationen mutmaßen, zumal eine der urlaubenden Damen eine barbusige Würdigung durch den (ihr angetrauten?) Zelluloid-Voyeur erfährt. Das Ganze – ein Fake?

Warum nun ist dieser "Spieltriebe"-Abend zwar blendend gedacht, aber in der Ausführung denn doch nicht wirklich bezwingend? Die Dialogschreiber Sebastian Fust und Izy Kusche haben den Schauspielern (einer Dame, drei Herren) ein lockeres, aber wenig ergiebiges Parlando verordnet: Wir treffen die Burg-Mimen sehr bald bei Rollenspielen (Regie: Philipp Hauß, Sebastian Fust) an: beim heiteren Nachvollzug jenes Safari-Urlaubs, der die vier Bildobjekte in ein kenianisches Hotel namens "2fishes" geführt haben muss.

Die gelegentlich aufblitzende Komik liegt in der perspektivischen Verschiebung: Wer Charakterdarsteller Peter Wolfsberger beim erotischen Tändeln erlebt, Karin Lischka beim Partnerwahlvorgang – der ahnt, dass mehr als nur 30 Jahre vergangen sind. Und Afrika, der Sehnsuchtsort, glänzt finsterer denn je. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 18.02.2008)