"Essen für Arbeit": Frauen in Zifuva graben ein Wasserloch. Ein Fünftel der Mosambikaner braucht Nahrungsmittelhilfe.

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Jatropha-Plantage im Distrikt Chemba am Sambesi. Da es keinen Strom und daher keine Pumpen gibt, bauen die Bauern direkt am Fluss an.

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Grafik: STANDARD
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Maputo - Sobald sie die Besucher aus den weißen UNO-Vans aussteigen sehen, hauen sie die Spaten in die schwarze Erde vor dem Wasserloch. Die gelben, roten, grünen Tücher tanzen um die Hüften. "Was für ein Glück ...", singen sie. Die Frauen von Zifuva würden normalerweise nie um die Mittagszeit aufs Feld gehen, aber heute müssen sie den europäischen Journalisten zeigen, was "Essen für Arbeit" bedeutet. Das Programm des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sieht vor, dass jene, die Öl und Getreide von der Hilfsorganisation beziehen, eine Gegenleistung für ihre Gemeinschaft erbringen sollen - zum Beispiel Straßen bauen oder Ziegel brennen oder das Wasserloch weiter ausgraben.

In den vergangenen fünf Jahren hat es hier in Zifuva, in der Nähe der mosambikanischen Hauptstadt Maputo, im Herbst, wenn der Mais gerade kniehoch stand, immer zu regnen aufgehört. Die Pflanzen verdorrten einfach. 20 Prozent der Bevölkerung sind in Mosambik auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, 36 Prozent gelten als mangelernährt. 80 Prozent der Mosambikaner leben von der Landwirtschaft und 55 Prozent von weniger als einem Dollar am Tag.

Es fehlt an Infrastruktur

"Wenn wir nicht von der Dürre getroffen werden, sind wir mit den Fluten beschäftigt", sagt Marida Limbobo vom Nationalen Sekretariat für Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung. Besonders gefährdet sind die Armen, wenn der Maispreis, so wie jetzt gerade, auf einem Rekordhoch steht. Warum die Bauern nicht auf ein anderes Getreide umsteigen? "Die ändern sich nicht einfach so", sagt Limbobo und schnippt mit dem Finger in die Luft, "die sind sehr konservativ."

Der Boden hier ist tiefrot oder grau oder schwarz. Fruchtbar jedenfalls. Bisher werden von den 36 Millionen Hektar Agrarland nur fünf Millionen landwirtschaftlich genutzt. Mosambik könnte eigentlich die gesamte Subsahara ernähren, aber dafür fehle es an Infrastruktur, sagt Casimiro Francisco, der Generaldirektor der staatlichen Ölindustrie Petromoc. "Die traditionelle Landwirtschaft zieht eben keine Investoren an." Francisco lehnt sich in seinen Ledersessel.

Draußen vor dem Fenster des Petromoc-Turms im Zentrum Maputos flirrt die Luft. Und Francisco bilanziert ohne schönzufärben: Die Landwirtschaft im Süden Afrikas habe in den vergangenen 40 Jahren keine Fortschritte gemacht, die Produktion sei sogar zurückgegangen. "Für die Nahrungsmittelproduktion gibt es keinen Markt, aber nun haben wir die Chance, eine Art Ölproduzent zu werden", resümiert er. Auf 30.000 Hektar könne man 200 Millionen Liter Bioethanol herstellen. Wenn man Zuckerrohr anbauen würde, könnten 8000 Menschen beschäftigt werden. Das Bioethanol solle zwischen 35 und 45 US-Dollar je Barrel kosten.

Ernährungssituation könnte sich verschärfen

Die Regierung hat eine Biokraftstoffstudie in Auftrag gegeben, unterstützt von der Weltbank, der US-Firma Econergy und der italienischen Regierung. Bis 2010 sollen die Biokraftstoffe 5,75 Prozent der Transporttreibstoffe in Europa ausmachen, ist dort zu lesen. Dazu seien acht bis zehn Millionen Tonnen Ethanol notwendig. Der italienische Erdölkonzern Eni und die brasilianische Petrobras planen gemeinsame Biokraftstoffprojekte in Afrika. Eni ist bereits in Mosambik tätig.

Zu den möglichen Abnehmern des mosambikanischen Biokraftstoffs könnten British Petrol (BP), die portugiesische Petrogalp, die Petrobras und die schwedische Sekab gehören, erzählt die Britin Anna Locke, die im Zentrum für Landwirtschaftsförderung in Maputo arbeitet. BP gründete im Oktober 2007 mit dem britischen Biodieselerzeuger D1 Oil die Firma D1-BP Fuel Crops Limited und setzt ganz auf die Ölpflanze Jatropha. In Swasiland werden 3000 Hektar angebaut, in Mosambik soll die Anbaufläche von 1000 auf 20.000, in Sambia auf 174.000 Hektar vergrößert werden. Die giftige Pflanze gilt als robust, sie kann auch auf wenig fruchtbarem Land angebaut werden. Doch die Biokraftstoffproduktion könnte die Ernährungssituation noch verschärfen, fürchten Kritiker.

"Es besteht die Sorge, dass Jatropha-Plantagen auf das Land ausgedehnt werden, das für die Lebensmittelproduktion geeignet ist", steht in der Biokraftstoffstudie. Wenn man im Ölgeschäft Gewinne machen wolle, dann "werden die Plantagenbesitzer gutes Land für die Jatropha-Produktion nutzen wollen."

Krokodil-Konflikt

Der Sambesi ist schlammig und endlos wie ein See. Wenn die Taifune kommen, steigt er über die Ufer und zerstört die Ernte. Trotzdem versuchen die Bauern, möglichst große Flächen direkt am Wasser anzubauen, denn in Chemba gibt es weder Strom noch Wasserpumpen. Der Sambesi bringt aber auch Tiere. "Es gibt hier einen Konflikt zwischen Mensch und Krokodil", erklärt Jorge Daul. Der Verwalter des Distrikts Chemba hat vor sich auf dem Schreibtisch ein Flusspferd, ein Krokodil und einen Elefanten aus Holz stehen. Was man brauche, seien Bewässerungsanlagen und also Investoren. Daul setzt auf die Biokrafstoffproduktion.

Das Land gehört dem Staat. Die Bauern können nach zehn Jahren Nutzungsrechte erwerben. Manche fürchten nun, dass diese Nutzungsrechte im korrupten Mosambik nichts mehr Wert sind, wenn erst die Ölkonzerne kommen. "Zunächst muss man schauen, dass die Kleinbauern Zugang zum Markt bekommen", sagt Ken Devies, WFP-Direktor in Mosambik. WFP versucht diesen Agrarmarkt aufzubauen, indem es bei den lokalen Bauern kauft. Der Mindestlohn im Agrarbereich liegt in Mosambik bei 33,50 Euro im Monat. WFP vergibt jährlich Lebensmittel im Wert von 30 bis 40 Millionen Dollar.

"Wenn die großen Firmen wollen, können wir Land hergeben, die Bauern können für die arbeiten", sagt Daul. Allerdings sollten sie nicht das Land am Fluss bekommen, das sollten die Bauern behalten. Die Firmen sollten das Wasser vom Sambesis hinaufpumpen zu den trockenen Feldern. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.2.2008)