A380: Alles läuft sehr ruhig und planmäßig ab, das Einchecken ist nicht anders als bei kleineren Maschinen.

Foto: Airbus

Ein Riese ist im Alltag angekommen: Dreieinhalb Monate ist er nun schon in der Luft, der Airbus A380, das größte Passagierflugzeug, das zurzeit auf dem Markt ist. Und irgendwie scheint seit dem euphorisch gefeierten Jungfernflug am 25. Oktober längst Normalität eingekehrt zu sein, vergessen sind die 18 Monate Verspätung und 4,8 Mrd. Euro Kostenüberschreitung, der Riesenvogel der Singapore Airlines pendelt nun täglich zwischen Sydney und Singapore und retour. Das ist schließlich sein Job. Woran merkt man eigentlich noch, dass man sich gerade im legendärsten Flugzeug des Jahrhunderts befindet? Am ehesten an der Fotografierintensität: Jeder will ein Foto von sich im Airbus. Die Stewardessen müssen dezent bitten, nicht allzu ausgedehnte Foto-Shootings auf dem Gang abzuhalten, schließlich will jeder auf seinen Platz.

Foto: Airbus/e*m company/H.Goussé
Foto: Airbus/e*m company/H.Goussé

Ansonsten läuft alles sehr ruhig und planmäßig ab, das Einchecken ist nicht anders als bei kleineren Maschinen. Der Start ist wirklich beeindruckend leise. Der beste Scherz in der Economy-Class: "Dafür hört man jetzt seine nervigen Nachbarn noch lauter." Wie elegant das Ding abhebt! Und das, obwohl rund 500 Menschen an Bord sind und 550 Tonnen in die Luft gestemmt werden müssen. Abgesehen davon, dass man sich außerdem für den umweltschonenden Transport begeistern kann (die Maschine verbraucht fünfzehn Prozent weniger Sprit), kehrt doch schnell das Gefühl von "business as usual" ein.

Foto: Airbus
Foto: Airbus

In Sachen Innenausstattung ist – bis auf die zwölf Luxus-Suites – das meiste mit den anderen Überseefliegern der Singapore Airlines-Flotte identisch. Wie etwa auch bei Eva Air hat jeder seinen eigenen Bildschirm am Vordersitz montiert und kann aus Film- und Musikprogrammen für mindestens zwanzig Flüge (100 Kinofilme, 180 TV-Programme, 700 CDs) wählen, auch die Essensversorgung ist reichlich. Dass der Wein auf der Strecke von Australien nicht der schlechteste ist, liegt auf der Hand. Natürlich ist die Economy-Class auch hier nur eine klassische Holzklasse. Die Fußstützen lassen sich zwar bequem herausklappen, aber der Abstand zum Vordersitz misst auch nur 81 Zentimeter. Am begehrtesten sind die Sitze am Oberdeckfenster. Dort befinden sich Staukästchen, die als erweiterte Armlehne zwischen Sitz und Wand Extra-Komfort bieten.

On-Board-Unterhaltung in der Economy-Class. Foto: Singapore Airlines
Foto: Singapore Airlines
Foto: Airbus
Foto: Airbus

Spannend wird es erst ab der Business-Class, weil man erkennt, was das neue Ding in der Luftfahrt ist: Splendid Isolation. Vorbei sind die Zeiten, als die erste Klasse eine Nobelbar war, in der man Geschäftskontakte knüpfte, Visitenkarten verteilte und geselligen Business-Talk pflegte. Heute will man seine Ruhe. Rückzug heißt das Motto, Intimität ist der neue Luxus. Wie jüngst das deutsche Handelsblatt vermeldete, steigt der Verkauf an Privatjets jährlich – waren es im Vorjahr knapp mehr als 680, sollen es 2008 bereits 1300 sein. Man will lästige Wartezeiten vermeiden, schneller, effektiver und ungestörter zu wichtigen Terminen kommen. Der Airbus will eine Alternative zu diesem Trend sein: reisen im Großflugzeug, aber sich fühlen wie im Privatjet. Auch die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit vermeldete aus Anlass des Jungfernflugs des Riesen-Airbus: "Die Klassengesellschaft in der Luft ist ein Spiegel der Gesellschaft auf der Erde – Reiche werden reicher, Arme ärmer, die Mitte dünnt aus."

Die Business-Class. Foto: Singapore Airlines
Foto: Singapore Airlines

"Wir machen keine Upgrades, höchstens Downgrades", meint der Inflight Supervisor während eines Rundgangs durch das Flugzeug: "Wir versuchen, den Airbus so exklusiv wie möglich zu halten." Vier der zwölf Suiten – die Luxusklasse über der Business – sind belegt. "Es ist einfach, hier zu arbeiten", scherzt er, und in der Tat mampft die Stewardess gerade selbst eines der Menüs, weil sich die Gäste längst zurückgezogen haben, um ihre Splendid Isolation zu genießen.

Es ist fast ganz dunkel in der Suite-Klasse, eines der großräumigen mittleren Abteile wird als First-Class-Doppelkabine von einem japanischen Paar, das sich schon in Trainingshosen geschmissen hat, genutzt. Man sieht hier in der Mitte zwar nichts vom Flug, aber dafür sieht einen auch keiner. Eigentlich sollten die Séparées, vom Yacht-Designer Jean-Jacques Coste aus Cannes, an Nobelschiffe erinnern, doch weit gefehlt: Journalisten fühlten sich an Seilbahngondeln oder Erste-Klasse-Abteile im alten Orientexpress erinnert. Im Design dominiert Retro-Charme, 70er-Jahre-Brauntonkombinationen herrschen in First- und Business-Class vor, in der Economy darf eine grün-grau Kombi leuchten.

Privatsphäre in der Suite. Foto: Sinagpore Airlines
Foto: Singapore Airlines

Der Business-Class-Sitz ist eine Art Box, die man zwar nicht verschließen kann, aber ein kleines, ausfahrbares Schild schützt vor unruhigen Nachbarn. Geräumige 86 Zentimeter breit ist der Ledersitz, gemütlich also auch, wenn man ihn nicht in ein Bett umbaut. Zudem ist der 39 Zentimeter große Bildschirm schon fast wie Heimkino – und der Nachbarbildschirm spiegelt nicht.

Die 60 Business Class-Sitze sind voll ausgebucht. Die Gäste sind still mit ihrem Komfort beschäftigt. Sosehr der Jungfernflug einer wilden Party in der Luft glich, mit reichlich Champagner schon früh am Morgen, – der Alltag sieht anders aus: Jeder schlürft gemütlich allein an seinem Kaffee, schließlich will man fit fürs Geschäft sein. Die Party findet höchstens im Kopf statt. Später wird man vielleicht einmal sagen: typisch 21. Jahrhundert! (Karin Cerny/DER STANDARD/Rondo/15.2.2008)