"Gemeinsam werden wir das nächste große Kapitel der amerikanischen Geschichte beginnen" – vorausgesetzt, alle gehen wählen: Der Rapper Will.i.am, Leadsänger der "Black Eyed Peas", im Musikvideo "Yes We Can", inszeniert von Bob Dylans Sohn Jesse Dylan.

Foto: dipdive /Matthias Cremer

Weitere gute Nachrichten für die US-Demokraten: Mit dem Ende des Streiks der US-Drehbuchautoren wird es eine Oscar-Gala, also ein traditionell gutes Wahlkampfforum geben.

"Ja, wir können diese Nation heilen. Ja, wir können die Welt wieder instand setzen. Yes, we can." Und: "Wir sind nicht so gespalten, wie es uns die Politiker suggerieren. Wir sind ein Volk. Wir sind eine Nation. Und gemeinsam werden wir das nächste große Kapitel der amerikanischen Geschichte beginnen – with three words that ring from coast to coast: Yes. We. Can."

Eine kurze Passage aus einer Rede des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama: Kontrastreiches Schwarz-Weiß, das per YouTube selbst auf dem schlechtesten Computerdisplay funktioniert – und gleichzeitig Obama in eine "historische" Nähe zu Martin Luther King setzt und verklärt. Dazu: Simple Akkorde auf einer Akustik-Gitarre, und mehrere Stars (darunter Herbie Hancock und Scarlett Johansson), die angeführt von Rapper Will.i.am (The Black Eyed Peas), Obamas Rede nachsprechen, weitersingen, als ginge es darum, etwas zu verinnerlichen bzw. breiten Bevölkerungsschichten weiterzugeben, das als TV-Dokument zum US-Vorwahlkampf flüchtig und verschenkt wäre.

10 Millionen Zugriffe

Der gewünschte Effekt ist in überwältigendem Maße eingetreten. Am 8. Jänner, im Rahmen der Primary Night in New Hampshire hielt Obama seine Rede – und inspirierte Will.i.am bzw. den Regisseur Jesse Dylan (Sohn des Großen Bob) dazu, ein Musikvideo für den Super Tuesday am 5. Februar zu gestalten. Dieses wurde schon am 1. Februar auf ABC vorgestellt, breitet sich seither im Internet wie ein Virus aus, und hat es innerhalb von nur einer Woche auf rund 10 Millionen Zugriffe gebracht: Nicht zuletzt als wirklich exzellente Bild-Ton-Komposition, die quasi nebenher Content an den Mann bringt, den man derber präsentiert wohl als Wahl-Werbung abtun würde.

Dass die Unterhaltungsindustrie gerne mit der (Partei-)Politik flirtet, ist international nicht neu. Und dass liberale amerikanische Pop-Größen sich bevorzugt für die Demokraten stark machen, dürfte auch nicht unbekannt sein. Wenn jetzt nach Beendigung des Streiks der US-Drehbuchautoren (sie einigten sich mit den Produzenten auf drei Prozent Gehaltserhöhung pro Jahr) der Oscar-Gala nichts mehr im Weg steht – dann wird bestenfalls die Frage spannend, ob nun Barack Obama oder Hillary Clinton mehr direkten Support erhält. Bush-Bashing? Das ist spätestens seit Michael Moores Dankesrede Usus, als dieser 2003 den Oscar für Bowling for Columbine erhielt.

Was wurde überhaupt aus dem politischen Einsatz von Michael Moore, der 2004 vergeblich hoffte, mit "Fahrenheit 9/11" die Wahl entscheiden zu können? Auf seiner Homepage betreibt er Werbung für seinen letzten Film Sicko. Anfang Jänner hatte er noch beschlossen, dass es allen demokratischen Präsidentschaftskandidaten an Charisma mangle. So kurzlebig sind manchmal die Nahverhältnisse von Medien und Politik.

Seit Al Gores Klimaschutz-"Dokumentation" "An Inconvenient Truth" ist definitiv ein anderer Tonfall in der Inszenierung politischer Botschaften am Klingen: Die offene Häme gegen republikanische "stupid white men" wurde abgelöst durch eine betont konstruktive Haltung "für uns alle". Gleichzeitig soll ein Hochhalten amerikanischer Werte auch konservative Stammwähler zum Einlenken und Umschwenken bringen. Das führt dann mitunter zu einer historischen Entrücktheit, in der selbst brisante Sozialkämpfer der Vergangenheit im Kanon aufrechter Amerikaner leuchten dürfen.

Zurück zu den Ursprüngen

Barack Obamas Rede bzw. ihre letzten Minuten, auf denen "Yes We Can" basiert – sie ist ein hocheffizientes Beispiel für dieses aufgeklärte "Zurück zu den Wurzeln (aber fortschrittlich)". Und als improvisierte, verklärende Vermessung Amerikas ist sie nicht weniger als die Meisterleistung eines begnadeten Rhetorikers, der weiß, wie man sich an ein breites Publikum zu wenden hat: Mit eingängigen Bildern von der Unabhängigkeitserklärung bis herauf zu den Kämpfen der Arbeiter, Immigranten, Rassen; quer durch einen höchst inhomogenen Kontinent, "from coast to coast"; über alle Gesellschaftsklassen hinweg.

Mag "Yes We Can" als Song auch etwas sehr simpel auf Hitparaden-Tauglichkeit hingetrimmt sein: Das Video stellt einen denkwürdigen Quantensprung in der Geschichte parteipolitisch motivierter medialer Produkte dar. Zum einen wäre da eine geradezu perfekte Nutzung des Terrains Internet. Viele Hörer und Seher sehen sich etwa über zusätzliche Links auf YouTube und Co weitere Obama-Reden und Talkshow-Auftritte an bzw. lesen dieselben in Transkriptionen nach. Kaum ein Politiker der letzten Jahre war bei der jungen Generation derart zeitintensiv präsent.

Zum anderen und durchaus symptomatisch für eine Zeit, in der parteipolitische Programme kaum noch eine Rolle spielen: Die Inszenierung der Einigkeit von Stars eher für ein Amerikabild als für einen Politiker (Obamas Name wird nie genannt) – sie verschiebt die Dynamik von der schal gewordenen Ideologie zur bewegenden Idee: Statt "We are the World" heißt es jetzt "We are one nation". Gutes tun ist gar nicht schwer. Geschichte wird gemacht. (Claus Philipp / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2008)

--> Ein gutes Lied für eine bessere Welt
William James Adams Jr. alias Will.I.Am, Kopf des Tages, singt und agitiert für Barack Obama

Ein gutes Lied für eine bessere Welt
William James Adams Jr. alias Will.I.Am singt und agitiert für Barack Obama

Manchmal geht selbst im sonst nur noch mit monatelangem Millionen- und Marketingaufwand betriebenen Spitzensportbereich der Popmusik alles ganz schnell. Nur einen Monat nachdem der demokratische Präsidentschaftsbewerber Barack Obama bei den Vorwahlen in New Hampshire am 8. Jänner eine programmatische und mit ihrem pathetischen, an Dr. Martin Luther King erinnernden Grundton eine ureigen-amerikanische Rede hielt, steht der diese Ansprache verarbeitende Song "Yes We Can" jetzt im Netz. Und er steuert mit dem dazugehörigen, unter der Regie von Bob-Dylan-Sohn Jesse produzierten Video auf Seiten wie Youtube.com bereits auf Zugriffe im Zehnmillionenbereich zu: YesWeCanSong.com.

Initiiert und mitverfasst hat das so simple wie optimistische, an Bob Marleys Redemption Song angelehnte Folk- und Soul-Stück unter Mithilfe von Stars wie Scarlett Johansson, Herbie Hancock, Common, John Legend oder Nicole Scherzinger von den Pussycat Dolls ein neuer Superstar der afroamerikanischen Musik.

Der am 15. März 1975 in Los Angeles geborene William James Adams Jr., kurz Will.I.Am, gilt in der Popbranche spätestens seit 2003 als Hoffnungsträger in einer wegen illegaler Downloads krisengeschüttelten Branche.

Als Kopf und Produzent der Band The Black Eyed Peas (BEP), dem Album Elephunk und dem gefälligen, menschenfreundlichen Rap und gewaltlosen Mitsing-Pop verbindenden Antikriegslied Where Is The Love? und reichlich Produktionsjobs für BEP-Sängerin Fergie, Carlos Santana, Sergio Mendes, Justin Timberlake oder aktuell Remixes für alte Songs von Michael Jacksons Thriller-Album sorgt der Mann ohne erkennbares Privatleben nicht nur für garantierten Dauereinsatz seiner Produkte auf MTV.

Der auch die eigene Modelinie I.Am.Clothing sowie mit den Alben Songs About Girls (2007) und dem demnächst erscheinenden Black Einstein eine Solokarriere betreibende Will.I.Am setzt sich auch nachhaltig für politische Anliegen ein.

Nachdem er schon 2004 Wahlkampfhilfe für den damaligen demokratischen Präsidentschaftsbewerber John Kerry machte und im selben Jahr als Protagonist der Tierschutzorganisation PeTA die Fastfood-Kette Kentucky Fried Chicken dazu aufforderte, ihre Hühner nicht länger von Massenhaltungsbetrieben zu beziehen, macht er jetzt für Barack Obama Stimmung.

Die Hautfarbe, so Will.I.Am in seinem Blog auf will-i-am.blackeyedpeas.com, spiele dabei keine Rolle. Es gehe ihm beim Engagement für den ihn an Abraham Lincoln und Dr. Martin Luther King erinnernden Obama schlicht und einfach um die Sache der "Menschlichkeit". Für das Gute, gegen das Böse! Zwischentöne müssen dann in anderen Liedern erklingen. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2008)