Schlechte Nachrichten für den Europäischen Rat: Das erklärte Ziel der Staats- und Regierungschefs, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) im Binnenmarkt bis 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern, ist unerreichbar, also eine Illusion.

Das geht aus der jüngsten Studie von Joanneum Research über das Lissabon-Ziel hervor. Wohl haben sich EU-Mitgliedsländer wie Österreich, Dänemark, Irland und Tschechien erheblich angestrengt, ihre F&E-Ausgabe und damit ihre Forschungsquoten signifikant erhöht, die EU-weite F&E-Quote hat sich dadurch allerdings praktisch nicht vom Fleck bewegt. Im Gegenteil, sie dümpelt seit 1995 bei 1,8 Prozent herum - und das wird auch in den nächsten drei Jahren so bleiben.

Der Grund: Um drei Prozent Quote zu erreichen, müssten die F&E-Ausgaben auf EU-Ebene um satte 83 Prozent gesteigert werden. "Ein völlig illusorisches und, was die Quote quer über alle Länder betrifft, sinnloses Ziel", meint Studienautor Andreas Schibany. Österreich zum Beispiel müsste seine F&E-Intensität um 22 Prozent erhöhen, um von aktuell 2,45 auf drei Prozent des BIP zu kommen. Italien, gemessen an der Wirtschaftskraft ein EU-Schwergewicht, müsste gar um 189 Prozent aufdoppeln und Spanien um 184 Prozent.

Musterknaben

Da hilft es auch nicht, dass Schweden und Finnland - mit Forschungsquoten jenseits der drei Prozent - Musterknaben sind. Sie vermögen den Durchschnitt schlicht und einfach nicht zu heben. Den bestimmen nämlich drei Großmächte: Deutschland, Frankreich, Italien. Sie bringen zusammen rund 70 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts auf die Waage. Bewegen sich ihre F&E-Quoten nicht signifikant, verharrt auch der EU-Schnitt unverändert in einer Art Gleichgewichtsquote, rechnet Schibany vor. Und diese Balance befinde sich eben deutlich unter der Drei-Prozent-Marke (siehe Grafik). "Damit ist klar, dass eine Quote für die 27 EU-Länder sinnlos ist."

Bei all den innovativen Anstrengungen haben Europas Forschungs- und Wirtschaftspolitiker natürlich auch so etwas wie das Pech des Tüchtigen: die Hochkonjunktur. Sie relativiert jede noch so ambitionierte ausgabenseitige Anstrengung in Sachen Innovationsförderung; denn je höher das Wirtschaftswachstum, desto niedriger fällt die - in absoluten Zahlen hohe - F&E-Quote aus. Oder umgekehrt: Bremst sich das BIP in den Jahren 2008, 2009 und 2010 wie prognostiziert ein, steigen die Ausgaben für F&E automatisch.

Was das neueste Datenmaterial ebenfalls belegt: dass Forschung und Entwicklung mittlerweile weitgehend nach dem von der OECD empfohlenen Schlüssel finanziert wird. Zwei Drittel stellt der Unternehmenssektor, ein Drittel die öffentliche Hand. Zwar klafft - nicht nur in Österreich - zwischen den beiden Sektoren eine Lücke zulasten des Unternehmenssektors, selbige besteht allerdings zu einem geringen Teil aus staatlichen Fördermitteln (EU-Rahmenprogramme).

Der große Rest sind "Auslandsinvestitionen", die überwiegend von internationalen Konzernen getätigt werden. Abgesehen davon, dass Konzerne aus EU-Ländern wirtschaftlich längst kein "Ausland" mehr darstellen: 121 Milliarden Euro stammen von tausend EU-Unternehmen, weitere 251 Mrd. von Konzernen aus Nicht-EU-Ländern. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2008)