Das TV-Publikum zappt weg, Saalpublikum und Jury applaudieren: Kandidat Aaron aus Togo in der Migranten-Castingshow "Kinder Babels".

Foto: TVE/STANDARD
Mit "Hijos de Babel" - "Kinder Babels" - lanciert der spanische Rundfunk eine Multikulti-Castingshow von Afrobeats bis zur Zarzuela. 4000 bewarben sich, doch sehen wollen die Show immer weniger.

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Knapp 4,5 Millionen Immigranten leben in Spanien. Ihr Anteil schnellte von 0,5 Prozent 1981 auf heute mehr als zehn. Höchste Zeit für die passenden Castings, dachten die Macher des staatlichen Fernsehens Televisión Española (TVE) und starteten nun die Realityshow "Hijos de Babel".

Erst dienstags zur besten (spanischen) Sendezeit um 22.00 Uhr angesetzt, maß sich live ein Kulturen-Mix im Gesang: acht Solo-Künstler und zwei Duos, von Syrien und Togo über Argentinien, Ecuador, Kolumbien, Kuba, Venezuela und Indonesien. Die in Spanien am stärksten vertretene EU-Nation ist Rumänien (525.000 Migranten), sie stellt mit Maurer Costel Busuioc (33) den Führenden, vor Samtstimme Claudia aus Ecuador und dem Syrer Karim.

Busuioc soll man an der Wiener Staatsoper eine Gesangsschulung angeboten haben, die er aus familiären Gründen abgelehnt habe, ließ TVE verlauten. Er gab zur Eröffnung "Nessun Dorma", eine Arie aus Puccinis Turandot, zum Besten, überzeugte die Kritiker und erinnert an den Briten Paul Potts, der in "Britain's Got Talent" 2007 mit dem Stück begeisterte, gewann und bei Sony für eine Million Pfund unter Vertrag steht.

Zu exotisch

"Babel"-Moderator Antonio Garrido gab sich - naturgemäß professionell - überzeugt, dass ein "internationaler Star" hervorgehen wird. Dem Sieger winkt ein Plattenvertrag. Ähnlich "Starmania" gilt es, sich vor Jury und Publikum zu beweisen - allerdings ergänzt um das Moment der Realityshow, die Kandidaten leben zur Vorbereitung kameraüberwacht zusammen.

Schauspielerin und Jury-Mitglied Pastora Vega unterstrich, dass "musikalisches Talent universell sei" und "Hijos de Babel" zur "Integration und Akzeptanz von Zuwanderern" beitrage. Wichtiges Ziel auch für Aaron aus Togo, der jazzig "Let it be" sang, oder die venezolanischen Zwillinge Alejandro und Eduardo, welche dem Event Latino-Schmalz gaben, in einem Land, das jüngst rassistische Attacken tief erschütterten.

Jimmy aus Indonesien interpretierte charmant "Killing me softly", überstand aber Runde eins nicht. Statt der Hinausgewählten kommen neue Talente: etwa Sängerin Nabila, eine von 576.000 marokkanischen Zuwanderern in Spanien, oder der Mexikaner Mau. Doch während die Bewerber mit rund 4000 anderen Schlange stehen, um zum Stimmtraining in die TV-Wohngemeinschaft einzuziehen, zeigt das Publikum kaum Interesse an der Show.

11,5 Prozent Quote

Die Quote blieb mit 11,5 Prozent von Beginn an fern der Ziele. El Mundo schrieb, es fehle an Rhythmus, "langatmig" sei die Show. Blogs debattieren gar die Einstellung, denn nur knapp 6,6 Prozent sahen "Hijos de Babel" vergangene Woche. Wegen der Konkurrenz zu "Dr. House" und der erfolgreichen privaten Familiensaga "Los Serranos" wechselt das Format auf den zweiten Kanal, Mittwoch 21.30 Uhr nach den Fußballnachrichten, die Quoten mitbringen.

Dem nationalen Seherschwund stehen internationale Fangemeinschaften gegenüber: In Rumänien ist Busuioc ein "Star", glaubt man Zeitungen die ihn gar den "Pavarotti vom Banat" tauften, der Region an der Grenze zu Serbien und Ungarn, wo er als Schafhirte werkte, bevor er auf Baustellen Madrids den Applaus des Krankenhauspersonals vis-à-vis ersang und nun in Onlineforen als Favorit der "Kinder Babels" gilt. (Jan Marot aus Granada/DER STANDARD; Printausgabe, 13.2.2008)