Zwei ihrer Clown-Kollegen wurden im Irak ermordet. Nun arbeiten Rahman Aidi (li.) und Saif Karzem für das UNHCR in Syrien.

Foto: STANDARD/Szigetvari
Damaskus/Wien – Für jede Frechheit bekommt der Junge einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf. Ein lauter Lacher, „bum“. Eine freche Geste, „bum“. Der Schläger trägt einen roten Anzug, hat einen orangen Hut auf, und sein Gesicht ziert eine rote Plastiknase. Er heißt Saif Karzem, ist 24, arbeitet als Clown und ist wie sein bei jedem Schlag laut auflachendes Opfer ein Flüchtling. Beide stammen aus dem Irak, dem wohl einzigen Land, wo selbst Clowns gezielt ermordet und vertrieben werden.

Es ist Morgen in der syrischen Stadt Duma bei Damaskus, wo das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR seine weltweit größte Anlaufstelle für Flüchtlinge betreibt. Karzem arbeitet hier als Unterhalter in einer ansonsten kargen Wartehalle. Rund 100 Iraker warten darauf, aufgerufen zu werden, um dann weiter hinten, im Interviewraum, der aus kleinen, durch Vorhänge abgetrennten Kojen besteht, ihre Geschichte zu erzählen. Dort berichten sie dann über ermordete Angehörige, Vertreibung und Flucht. Wer glaubwürdig wirkt, erhält ein Papier, das den Flüchtlingsstatus ausweist. Der Wartesaal draußen gehört aber ganz Karzem und seinen zwei irakischen Kollegen.

Die drei Clowns arbeiteten in einer Künstlertruppe in Bagdad. Sie veranstalten Straßenfeste für Kinder. „Irgendjemandem gefiel das nicht“, erzählt Rahman Aidi, einer von Karzems Kollegen. Die Clowns wissen bis heute nicht, wem. Zuerst gab es Morddrohungen. Dann wurden zwei Mitglieder der Truppe aus einem vorbeifahrenden Auto heraus erschossen. Die drei Künstler hatten genug, flohen nach Syrien. Sie registrierten sich beim UNHCR, das sie anwarb. Inzwischen leben sie in Damaskus. „Der ganze Irak ist im Krieg“, sagt Aidi, der einen rosa Plüschhasen auf der Hand trägt, trocken.

Die geflohenen Clowns zählen zu der gewaltigen Zahl irakischer Flüchtlinge, die inzwischen in Syrien leben. Wie viele es sind, weiß niemand. Die Schätzungen reichen von einer halben bis zu zwei Millionen. Das UNHCR registriert seit März 2007 systematisch Flüchtlinge in Syrien. Seither sind 154.000 Menschen gezählt und interviewt worden. Eine der größten Datenbanken rund um den Irakkrieg ist hier im Entstehen begriffen.

In Koje 18 in Duma sitzt an diesem Morgen eine junge Irakerin aus Bagdad mit ihren drei Kindern. Ihr Mann floh nach Schweden und schickt 200 Dollar im Monat, erzählt sie. Aber das reiche nicht. Sie will zur ihrem Mann. Nach der Befragung bekommt sie das begehrte UNHCR-Paper. Wenn sie Hilfe bei der Ausreise will, muss sie sich an die UNHCR-Zentrale in Damaskus wenden.

Dort sitzt in einem kleinen schlichten Büro der Niederländer Laurens Jolles, der Chef des Hochkommissariats in Syrien. Unten steht eine Schlange wartender Iraker. Wer hierherkommt, will einen Beitrag zu seinen Medikamentenkosten, Hilfe bei der Wohnungssuche. Syrien nahm die Menschen bisher auf, inzwischen wurden die Visabestimmungen aber verschärft. Trotzdem gibt es am Tag 500 Neuankömmlinge. Viele von ihnen wollen weiter nach Europa und in die USA. Manchmal schicken Länder eigene Teams in die UNHCR-Zentrale, um Flüchtlinge zu befragen und einige auszusuchen, die sie aufnehmen. An diesem Tag ist eine US-Delegation da. „Über eine Rückkehr nach Bagdad haben wir noch nie nachgedacht“, sagt der Clown Aidi in Duma. Zu gefährlich. Viel Zeit zum Reden hat er nicht. Die Kinder wollen Spaß. Besonders der Hammer ist gefragt. (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2008)