Tief Luft holen: Die Zahl der asthmakranken Kinder in Österreich steigt. Gut elf Prozent sind betroffen.

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Die Zahlen stimmen nicht gerade optimistisch: Etwa jedes zehnte Kind in Europa leidet heute an chronischem Asthma - in Österreich sind es sogar etwas mehr, nämlich gut elf Prozent, und jüngsten Studienergebnissen zufolge steigt hierzulande die Zahl der jungen Asthmatiker sogar etwas stärker als in anderen Staaten. Ein internationales Forscherteam mit heimischer Beteiligung fand nun aber ein Ziel für neue Therapien und Diagnosen.

Genetischer Anteil

Die Ursachen für Asthma, immerhin eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, sind vielschichtig: Neben Allergien, Umwelteinflüssen oder Anstrengung und Kälte weiß man inzwischen, dass auch die Genetik ihren Teil dazu beiträgt.

Risiko mit Gen um 50 Prozent höher

Eine internationale Forschergruppe hat die genetischen Ursachen von Asthma näher erforscht und die Resultate kürzlich im britischen Fachjournal Nature veröffentlicht. Auch Österreich war an den Arbeiten beteiligt. Die Gruppe unter der Federführung von Forschern der Universitäten München und Oxford konnte ein Gen identifizieren, das bei Mutation das Risiko, in der Kindheit an Asthma zu erkranken, deutlich erhöht - um 50 Prozent.

Bessere Diagnostik und bessere Therapie

Die Wissenschafter, denen auch Primarius Burkhard Simma und sein Team von der Kinder- und Jugendabteilung des Vorarlberger Landeskrankenhauses Feldkirch angehörten, untersuchten genetische Merkmale bei asthmakranken Kindern und verglichen diese mit jenen gesunder Altersgenossen. Das dabei gefundene Gen namens ORMDL3 sei nun ein viel versprechendes Forschungsobjekt, erklärt Simma: "Es könnte helfen, die Prävention und Diagnostik von Asthma zu verbessern sowie möglicherweise eine Therapie zu entwickeln."

Heute nur symptomatische Behandlung

Wer heute an Asthma leidet, kann kaum auf Heilung hoffen: Bisher werden mit hoch wirksamen Arzneien bestenfalls Symptome behandelt. Die Forscher vermuten aber, dass sie nun einen der Hauptakteure im komplexen Zusammenspiel aus genetischen und umweltbedingten Faktoren, die zu Asthma führen, identifiziert haben. Sie machten sich zunutze, dass das genetische Material verschiedener Individuen Unterschiede aufweist.

Punktuelle Mutation
Bei diesen sogenannten SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) handelt es sich um genetische Variationen an jeweils einer Stelle des Erbmoleküls DNA. Diese SNPs können für statistische Analysen verglichen und ausgewertet werden, wenn sie in der Bevölkerung oft genug vorkommen.

Im vorliegenden Fall wurden mehr als 317.000 dieser SNPs bei rund 2300 Studienteilnehmern ausgewertet, wobei knapp die Hälfte seit Kindheitstagen an Asthma litt.

Deutlich mehr von diesem Eiweiß

"Dabei konnten wir herausfinden, dass mehrere Genveränderungen auf einem Abschnitt des Chromosoms 17 das Asthmarisiko um 50 Prozent erhöhen", erläutert Simma. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Genveränderungen auf dem Chromosom die Bildung eines bisher unbekannten Proteins beeinflussen. Blut von asthmakranken Kindern enthält deutlich mehr dieses Eiweißes als jenes gesunder Kinder. Die genaue Funktion dieses Proteins ist allerdings ungeklärt. Jedoch: Es könnte Ziel für neue Therapien und Diagnosen sein.

Erster Schritt: Lungenfunktions- und Allergietest

Die Diagnose von Asthma bei Kindern sei gar nicht so einfach, konstatiert Lungenfacharzt Primarius Norbert Vetter vom Wiener Pulmologischen Zentrum Baumgartner Höhe: "Bei einem Kind erkennt man das meistens nicht daran, dass es keine Luft bekommt, sondern am Husten nach dem Turnen oder Herumtoben im Park." Eltern, die dies bemerkten, sollten mit ihren Kindern schnellstens zu einem Facharzt und sowohl einen Lungenfunktionstest als auch einen Allergietest durchführen lassen. Denn der Zusammenhang von Asthma und Allergien ist bewiesen.

Viel zu viel Hygiene

"In Österreich leiden bereits etwa 30 Prozent der Bevölkerung an Allergien", rechnet Vetter vor, "und von diesen entwickeln rund zehn Prozent Asthma, eine chronische Entzündung des Bronchialtraktes. Und weil es immer mehr Allergiker gibt, steigt auch die Zahl der Asthmatiker, besonders die der asthmatischen Kinder", klärt der Lungenfacharzt auf.

Und was sind die Gründe? "Es wird alles steriler, die Hygiene wird immer besser." Weil man Kinder zunehmend zu einem sauberen Leben erziehe - "viele dürfen ja gar nichts mehr vom Boden aufnehmen" -, würde das Immunsystem falsch trainiert. Resultat seien Allergien, dann eben Asthma.

Allergischer Formenkreis

Auch Heuschnupfen und Neurodermitis gehören zum sogenannten allergischen Formenkreis. Die "International Study of Asthma and Allergies in Childhood" (ISAAC), publiziert in The Lancet, untersuchte die Epidemiologie dieser drei Krankheiten bei Kindern in den Altersgruppen sechs bis sieben sowie zwölf bis 14 in den Jahren 1997 und 2003.

Asthma: Vorallem junge Betroffene

Die Ergebnisse für Österreich: In der jüngeren Gruppe litten 2003 7,4 Prozent an Asthma (1995: 7,3 Prozent), 6,1 an Heuschnupfen (5,1) und 6,1 (5,7) an Neurodermitis. In der älteren litten 15,1 Prozent an Asthma (davor 11,8), 9,7 an Heuschnupfen (9,2) und 7,5 (5,3) an Neurodermitis. Und dieser Aufwärtstrend, fürchten Mediziner, habe angehalten und reiße nicht ab. (Andreas Feiertag, MEDSTANDARD, Printausgabe, 11.02.2008)