Berlin - Die geplante Teilprivatisierung der Deutschen Bahn sorgt weiterhin für Unruhe in der großen Koalition. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Samstag, die Bundesregierung treibe eine Veräußerung an Privatinvestoren voran. Das Volksaktien-Modell der SPD spiele dabei keine Rolle mehr. Vor diesem Hintergrund warnte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) davor, anderslautende Beschlüsse des SPD-Parteitags zu untergraben.

Das Bundesverkehrsministerium versicherte jedoch, es werde keine Entscheidung ohne die SPD oder an der SPD vorbei geben. Man prüfe zwar - wie im Koalitionsausschuss vereinbart - ein Holding-Modell, doch an der Umsetzung einer solchen Teilprivatisierung werde derzeit nicht gearbeitet, sagte ein Ministeriumssprecher am Samstag. Der SPD- Parteitag hatte im Oktober in Hamburg die Einführung einer Volksaktie zur Bedingung für einen Börsengang gemacht.

Börsegang

Die "SZ" berichtete jedoch unter Berufung auf Koalitionskreise, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) arbeite unter Hochdruck daran, Teile der Bahn noch in diesem Jahr an private Investoren zu verkaufen. Vorgesehen sei, dass Streckennetz und Bahnhöfe vollständig im Eigentum des Bundes bleiben. Investoren sollten aber Minderheitsanteile an einzelnen Konzernsparten wie Nah- und Fernverkehr, Gütertransport oder Logistik erwerben können. In einem ersten Schritt wollten Regierung und Bahnvorstand Anteile in Höhe von 25 bis 30 Prozent verkaufen oder an die Börse bringen. Es werde mit einem Erlös von fünf bis zehn Milliarden Euro gerechnet.

Ein Modell, bei dem über eine Unter-Holding Minderheitsanteile einzelner Konzernsparten veräußert werden, könnte der Aufsichtsrat der Bahn auch ohne ein Privatisierungsgesetz beschließen. Wowereit betonte jedoch in der "Berliner Zeitung" (Samstag): "Wenn jetzt versucht wird, durch irgendwelche Holdingstrukturen oder durch Ausgliederungen das ursprüngliche Modell wieder durchzusetzen, wird das auf großen Widerstand stoßen." Notfalls werde ein Sonderparteitag der SPD sicherstellen, dass es bei der in Hamburg beschlossenen Linie bleibt.

Die SPD-Spitze erwartet laut "Süddeutscher Zeitung" harte Debatten in der eigenen Partei. Wichtig sei dabei die Haltung der Bahngewerkschaften. "Wenn die nicht mitmachen, gibt es keine Privatisierung", zitierte die Zeitung einen sozialdemokratischen Abgeordneten. Die der SPD nahestehenden Gewerkschaften Transnet und GDBA, bei denen der größte Teil der 230 000 Bahnbeschäftigten organisiert ist, wollen in der kommenden Woche darüber beraten.

Die Union schlägt unterdessen vor, einen Teil der Privatisierungserlöse für einen Ausbau des Schienennetzes auszugeben. Das Geld dürfe nicht einfach im Bundeshaushalt "versanden", sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) dem "Tagesspiegel" (Sonntag). Vielmehr solle durch ein "großes Transitprogramm" etwa die Anbindung der Seehäfen an das Hinterland verbessert werden. Dem Bericht zufolge zielt dieser Vorstoß vor allem darauf, die Umweltpolitiker der SPD für einen Börsengang der Bahn zu begeistern. (APA/dpa)