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Eine Ausnahmeperformance in einem wuchtigen Drama, das in der jüngeren Hollywood-Geschichte seinesgleichen so schnell nicht findet: Daniel Day-Lewis (re.) in Paul Thomas Andersons "There Will Be Blood".

Foto: AP
"Wuchtig?", "archaisch" – es kommt kaum ein Text zu diesem Film ohne solche Adjektive aus. Man könnte es ersatzweise noch mit "roh", "kantig" oder "überlebensgroß" versuchen. Oder gleich ganz woanders beginnen: Man kann sich There Will Be Blood – den nebenbei acht Oscar-Nominierungen veredeln – nämlich sehr schön als einem musikalischen Film annähern.

Die Originalmusik stammt von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood. Zugleich hat man sich aber auch im Fundus "ernster Musik" von Brahms bis Pärt bedient, und wie daraus immer wieder dichte Klangbildkombinationen entstehen, das allein gehört schon zum Eindrucksvollsten, was man seit längerem im Kino erleben durfte.

Es dauert ein Zeitlang, bis ein Wort fällt. Schon die erste Ansicht: eine weite Landschaft wird dafür vom Einsatz eines schräg intonierten Streichersignaltons begleitet. Ähnlich markante, an- und abschwellende Sounds verbinden sich gleich darauf mit den körperlich fordernden Bemühungen eines einsamen Mannes, dem kargen Untergrund aus Fels und Erde etwas Einträgliches abzuringen.

Den ersten entscheidenden Mineralienfund bezahlt der Mann im Film beinahe mit dem Leben. Der, der da keucht, schwitzt, stürzt und schließlich halb robbend wieder die Vorposten der Zivilisation erreicht, bevor er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts langsam aber stetig zum Ölbaron der ersten Stunde hinaufarbeitet (oder hinunterbuddelt), heißt Daniel Plainview.

Und an seiner Stelle keucht, schwitzt, stürzt und robbt eigentlich der Schauspieler Daniel Day-Lewis, der seit Martin Scorseses Gangs of New York (2002) wohl auch gewartet hat auf eine Rolle jenes Kalibers, das diese Erzählung nun tatsächlich bietet.

Der Patriarch

Plainview kann sich bald Habitus und Selbstverständnis eines Patriarchen leisten, der als Gönner ebenso auftritt wie als selbstgerechter Herr über Leben und Tod. Und auf einer anderen Ebene scheint Daniel Day-Lewis mit vergleichbar gebieterischem Gestus auch den Film zu dirigieren – den in Wahrheit natürlich Paul Thomas Anderson (Boogie Nights, Magnolia, Punch Drunk Love) geschrieben und inszeniert hat.

There Will Be Blood, dessen literarische Grundlage, der 1927 veröffentlichte Roman Oil!, vom linken Schriftsteller, Aktivisten und Ur-"Muckracker" Upton Sinclair stammend, bietet auf den ersten Blick zahllose Anknüpfungspunkte zur Gegenwart: sei es die zentrale Rolle, die die Erschließung von (extraterritorialen) Ölvorkommen nicht zuletzt für die USA spielen, oder das Thema des evangelikalen Fundamentalismus‘ ebendort.

Schaukampf-Kino

Aber zugleich liegt in diesen Bezügen oder einem kritischen Kommentar sichtlich nicht das erste Interesse des Regisseurs und seines Hauptdarstellers. Im Zentrum steht vielmehr der Entwurf einer Figur vor dem Hintergrund einer möglichst realistischen Epochenbeschreibung (Heaven‘s-Gate-Style).

Insofern ist There Will Be Blood vor allem einmal großes Schauspielerkino – samt Manierismen oder fulminant-exaltierten Schaukämpfen, wie jene zwischen Day-Lewis und dem jungen Paul Dano.

Ein bisschen scheint es derzeit übrigens so, als wäre die Berlinale nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein sehr stark britisch geprägtes Festival: Nach den Rolling Stones, die es am Donnerstag eröffneten, ist nicht nur mit Day-Lewis ein weiterer Star aus England eingetroffen, bald kommt Mike Leigh mit seinem Wettbewerbsbeitrag Happy-Go-Lucky im Gepäck und die einmalige Tilda Swinton ist bereits in der Stadt.

Die wiederum spielt in Eric Zonckas bereits vom Nimbus einer filmischen Sensation umflortem Drama Julia die Hauptrolle, das am Samstagabend im Wettbewerb Premiere hat. Und sie stellt gemeinsam mit Isaac Julien im Panorama einen Dokumentarfilm namens Derek vor, der natürlich Derek Jarman gewidmet ist, jenem britischen Filmemacher, der nicht nur am Anfang von Swintons Filmkarriere stand, sondern dem auch das britische Kino der 80er-Jahre Entscheidendes verdankt.

Das wird sicher eine schöne Sache. (Isabella Reicher aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe, 09/10.02.2008)