Was im Koran nicht steht, wurde von - männlichen - Juristen nachgeliefert. Und so haben wir eben die Situation, dass heute ganze Länder ihre islamische Identität vor allem über den Zustand der weiblichen Köpfe - auch derer, die keinen Musliminnen gehören - definieren: Was wäre etwa auf den Straßen Teherans eklatant "islamisch" außer der Bekleidung der Frauen?
Zuerst zur sogenannten islamischen Welt: Nicht zufällig ist die Kopfbedeckung dort ein Thema, bei dem der säkulare Nationalismus im 20. Jahrhundert versucht hat, es den Frauen mit Gewalt vom Haupt zu reißen - im Iran, wo die Islamische Revolution 1979 der Debatte ein Ende setzte, und in der Türkei, wo die Verbannung aus den staatlichen Institutionen jetzt mit der Zulassung in Universitäten abzubröckeln beginnt. Zum Kummer vieler Säkularisten und Säkularistinnen, die gleichzeitig auf eine Normalisierung hoffen: Was nicht verboten ist, ist - gerade unter Jungen - nicht mehr so interessant.
Denn das Kopftuch ist Träger vieler Botschaften - gerade in nichtislamischen Gesellschaften tendiert man dazu, unter dem Tuch nicht nur einen frommen, sondern einen politisierten Kopf zu vermuten: Träger der islamischen Gefahr. Etwas empathischer ist die Interpretation "unterdrückt" (und zu dumm, es zu merken).
Zweifellos steht die Verhüllung historisch für die Segregation. In der Geschichte der islamischen Gesellschaften konnte sie je nach Ort und Zeit jedoch Unterschiedliches bedeuten, vor allem war sie ein sozialer Indikator (je reicher und urbaner, desto verschleierter). Aber auch für die Gegenwart ist der Befund nicht eindimensional. Für manche der unter das Kopftuch gezwungenen iranischen Frauen wurde erst in diesem "islamisch einwandfreien" Zustand die Eroberung des öffentlichen Raums möglich.