Mächtige Karbonatstrukturen in der "Lost City". Könnte das Leben auf Erden von dort hergekommen sein? Die ausgestoßenen Kohlenwasserstoffe legen die Vermutung nahe.

Foto: Kelley, University of Washington, IFE, URI-IAO, NOAA
Washington - Die Schlote sind zum Teil mehr als 50 Meter hoch, weißgrau und bestehen aus reinem Karbonatgestein - die Einzigen ihrer Art, die Forscher bis jetzt in den Tiefen der Meere fanden. Wie die beiden Ozeanografinnen Giora Proskurowski und Deborah Kelley nun im US-Fachblatt Science (Bd. 319, S. 604) berichten, könnte dieses außergewöhnliche Hydrothermalgebiet namens "Lost City" in den Tiefen des Atlantik eine - buchstäblich - heiße Quelle für die Entstehung des Lebens auf unserem Planeten sein.

Entdeckt wurde die "Verlorene Stadt" erst vor acht Jahren 3700 Kilometer östlich von Florida bei einer Expedition der US-amerikanischen National Science Foundation. Erste Einzelheiten über die ungewöhnliche Chemie und Biologie der heißen Quellen wurden 2005 nach einer zweiten Expedition veröffentlicht.

Bis zum Jahr 2000 kannte die Forschung bloß "Schwarze Raucher", Schlote am Meeresgrund, die vor allem eine dunkle Brühe aus eisen- und schwefelhaltigen Mineralien ausstoßen. Da Verbindungen aus den unterschiedlichsten Kombinationen von Kohlenstoff und Wasserstoff der Schlüssel zu nahezu allem Leben auf Erden sind - und eben das von den Schwarzen Rauchern abgegeben wird -, gehen etliche Forscher davon aus, dass diese heißen Quellen die Wiege des Lebens auf Erden gewesen sein könnten.

Ein noch heißerer Kandidat sind aber die Schlote der "Lost City", wie die beiden Ozeanografinnen nun nach Untersuchungen von Gasproben der "Weißen Raucher" meinen.

"Lost City ist außergewöhnlich, weil die chemischen Reaktionen im Meeresboden Acetat, Formiat, Wasserstoff und alkalische Flüssigkeiten erzeugen", sagt Deborah Kelley, Professorin an der Universität Washington.

Viele Kohlenwasserstoffe

Das mit rund 90 Grad Celsius eher gemäßigt warme Wasser (das von Schwarzen Rauchern kann bis zu 400 Grad heiß sein) enthält zudem außergewöhnlich viele Kohlenwasserstoffe. Ihre Konzentration liegt bei dem bis zu Hundertfachen der bisher bekannten Hydrothermalquellen. Sie entstehen durch eine Reaktion des Meerwassers mit dem hier nur knapp unter der Oberfläche liegenden Mantelgestein des Untergrunds.

Was das bedeutet, stellt Co-Autorin Proskurowski klar: "Die Erzeugung von Kohlenwasserstoffen war der erste Schritt, sonst wäre die Erde unbelebt geblieben." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3. Februar 2008)