Die ständige Ausstellung im Dokumentations- und Informationszentrum über Wanderung der Roma nach Europa, Diskriminierung und Verfolgung mit Schwerpunkt NS-Zeit, bis zum Neubeginn nach 1945 kann während der Öffnungszeiten besucht werden.

Foto: derStandard.at/Julia Schilly

Fotos mit PolitikerInnen und KünstlerInnen, Zeitungsausschnitte und Urkunden bedecken die Wände des Dokumentations- und Informationszentrum des Kulturvereins.

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"Ohne den Kulturverein würde es keine Gedenkkultur für Roma und Sinti in Österreich geben", sagt Sarközi.

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Döbling, Devrintgasse 5, gegenüber der Wirtschaftsuniversität: Seit 1995 hat der Kulturverein Österreichischer Roma dort seinen offiziellen Sitz und fungiert als Informations-, Dokumentations- und Begegnungsstätte mit der Volksgruppe der Roma. "Von Anfang an habe ich die Forderung gestellt, dass wir nicht in abgewohnte Räumlichkeiten einziehen werden. Denn sonst heißt es wieder 'Hier schaut's ja aus wie bei den Zigeunern’", sagt Obmann Rudolf Sarközi. Im derStandard.at- Gespräch erzählt Vereins-Obmann Sarközi von der Arbeit und den Erfolgen des Kulturvereins in Österreich, über die Nachlässigkeit der SPÖ und Ursula Stenzels Jugenderinnerungen.

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derStandard.at: Der Kulturverein Österreichischer Roma hat bereits viel erreicht, wie die Anerkennung der Roma und Sinti als sechste Volksgruppe im Jahr 1993. Welche Projekte werden Sie weiterführen und wo gibt es Nachholbedarf?

Sarközi: Unseren Leuten fehlt es meistens an Bildung. Sobald diese vorhanden ist, bewegen sie sich vom sozialen Abgrund weg. Nach dem Attentat von Oberwart haben wir 1995 den Roma-Bildungsfond aus Spendengeldern gegründet. Damit finanzieren wir Bildungsmaßnahmen von jugendlichen Roma und Sinti und von Erwachsenen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung. Wir unterstützen zum Beispiel die außerschulische Lernbetreuung in Oberwart oder bezahlen Studiengebühren. Gerne helfen wir dabei, den LKW-Führerschein zu bekommen. Ich bin auch LKW gefahren. Denn ich hatte keine Berufsausbildung, da niemand uns Roma als Lehrlinge aufgenommen hat.

Verschenkt wird aber nichts. Wir wollen vermeiden, dass die Betroffenen denken, dass sie kein eigenes Geld investiert haben. Einen gewissen Anteil müssen sie also immer selbst zahlen.

derStandard.at: Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel spricht im Interview mit dem Magazin Moment von "mafiamäßig" organisierten Banden von Roma und Sinti, die "in Bussen" kommen.

Sarközi: Interessant ist, dass sich Frau Stenzel an Autobusse voller Roma und Sinti erinnern kann, die in ihrer Jugend aus Bulgarien und Rumänien gekommen sind. Ich weiß nicht genau, wie alt Frau Stenzel ist, aber ich bin mir sicher, dass es in ihrer Jugend noch den Eisernen Vorhang gab.

Ich verstehe schon, dass die Medien News brauchen und das ist ein Thema, mit dem gut polarisiert werden kann. Aber es geht hier um Menschen, die vorverurteilt werden. Warum verurteilt man nicht ihre Herkunftsländer?

derStandard.at: Stenzel spricht von einem Sicherheitsproblem.

Sarközi: Ich denke eine Millionenstadt wie Wien verkraftet ein paar Bettler. Ich bin froh darüber, dass der Verfassungsgerichtshof das Verbot "passiven" Bettelns in Fürstenfeld aufgehoben hat. Denn man muss dabei immer die Dimension im Auge behalten.

Ich weiß, was Armut heißt. Ich bin im KZ Lackenbach geboren und wurde von einer allein erziehenden Mutter als Roma im Nachkriegsösterreich großgezogen. Ich bin nicht der Einzige, der so etwas erlebt hat, das vergisst man nie. Darum ist es falsch, alle gleich als professionelle Bettler hinzustellen und nur das Schlechte im Menschen zu sehen.

derStandard.at: Oft taucht das Argument auf, dass eine Ursache für Fremdenhass in mangelnder Wahrnehmung und Unkenntnis anderer Kulturen und Volksgruppen liegen kann. Welche Themen sind ihnen wichtig, um sie in der Öffentlichkeit zu präsentieren?

Rudolf Sarközi: Gedenken und Mahnen an die Opfer des Holocaust ist uns ein großes Anliegen. 1996 haben wir das Dokumentations- und Informationszentrum österreichischer Roma eröffnet. Denn man muss ganz klar sagen: Ohne den Kulturverein würde es keine Gedenkkultur für Roma und Sinti in Österreich geben.

Wir haben jedes Jahr fixe Termine in den Gedenkstätten in Auschwitz, Mauthausen, Salzburg und Lackenbach. Unsere Gedenkfeiern haben, auch international gesehen, bereits große Dimensionen erreicht. Bei nationalen Gedenkfeiern waren zum Beispiel Bundespräsidenten, Bundeskanzler oder Landeshauptleute dabei.

Es wird weiterhin die "Romano Kipo" geben, unsere Zeitschrift, die vier Mal im Jahr erscheint. Und wir haben beim ORF gemeinsam mit den Kroaten und Ungarn sechs Mal im Jahr einen fixen Medienplatz im Radio.

derStandard.at: Vergangenes Jahr wurde ein Sonderbeauftragten bei den Vereinten Nationen für die Anliegen der Roma und Sinti gefordert. Was wurde daraus?

Sarközi: Wir haben diesen Wunsch leider zu schwach formuliert. Ich will nicht untergraben, was unsere deutschen Freunde begonnen haben. Aber in dem Schreiben, das Ban Ki-moon überreicht wurde, waren nicht alle Roma-Vereine Europas vertreten.

derStandard.at: Wie funktioniert eine Zusammenarbeit auf EU-Ebene?

Sarközi: Wir fordern einen EU-Kommissar der für die Fragen der Roma politische Verantwortung übernimmt. In den EU-Ländern wird überall ein bisschen gemacht, was zwar gut ist, aber insgesamt muss ich sagen, dass die Roma-Organisationen noch zu wenig Durchsetzungskraft haben.

Ich freue mich über die zwei Abgeordneten aus Ungarn, schön wäre jedoch aus allen 27 EU-Mitgliedsländern zumindest einen Abgeordneten zu haben, der Roma oder Sinti ist. Dabei lege ich mich aber keineswegs auf Parteien fest. Mich hat man leider nicht aufgestellt bei der vergangenen EU-Parlaments-Wahl, obwohl ich lange in der SPÖ verankert bin. Seit 2001 bin ich zum Beispiel Bezirksrat von Döbling. Das wäre ein Signal gewesen.

derStandard.at: Warum glauben Sie, ist im Vorfeld der EU-Parlamentswahl niemand auf Sie zugekommen?

Sarközi: Ich weiß es nicht. Vielleicht aus Nachlässigkeit. (Julia Schilly, derStandard.at, Februar 2008)