Bild nicht mehr verfügbar.

Rudy Giuliani in Port St. Lucie, Florida: Ob der „Sonnenschein-Staat“ tatsächlich Rudy Country ist, wird sich heute, Dienstag, weisen. John McCain und Mitt Romney führen in den Umfragen.

Foto: Reuters/Joe Skipper
Der Ex-Bürgermeister von New York spielt politisch Vabanque: Er hat bisher kaum wahlgekämpft. In Florida will er gewinnen, die Umfragen allerdings reihen ihn an die dritte Stelle hinter McCain und Romney.

***

Mike Du Haime wird bald wissen, als was er in die Annalen eingeht, als größtes Genie oder als komplettester Versager der jüngeren amerikanischen Wahlkampfgeschichte.

Du Haime ist der Kampagnenstratege, der Rudolph Giuliani ins Weiße Haus führen will. Von ihm stammt die Idee, die ersten vier Stationen der Kandidatenkür zu überspringen und sich ganz auf den fünften Ausscheid zu konzentrieren, die Primary heute, Dienstag, im bevölkerungsstarken Florida. Du Haimes Schlachtplan liest sich wie das Vabanquespiel eines spurtstarken Langstreckenläufers. Der lässt die Konkurrenten ziehen, einander anrempeln, um die Plätze balgen. Auf der Zielgeraden tritt er an, um an allen vorbeizuziehen.

Super-Dienstag am 5. Februar

Florida liegt dort, wo die Zielgerade beginnt. Dort will Giuliani gewinnen, sich Schwung holen für den Super-Dienstag am 5. Februar, wenn in 24 Bundesstaaten Vorwahlen anstehen. Ergo ließ er das Vorgeplänkel, wie er es sieht, praktisch aus. Sowohl in Iowa als auch in New Hampshire ging er nur als Statist an den Start, während seine Rivalen von Pizzeria zu Pizzeria tingelten. In South Carolina landete er als Sechster hinter dem eigenwilligen Texaner Ron Paul.

Inzwischen hat ihm John McCain, vom politischen Programm her fast ein Zwilling, die Schneid abgekauft. McCain ist der bessere Wahlkämpfer, sein Wortwitz geht Giuliani ab. Wer dessen Auftritten folgt, hört an Stelle lebhafter Dialoge steife Proklamationen, Variationen der „zwölf Verpflichtungen“, die er auf Plastikkärtchen drucken ließ, damit sie sich besser einprägen. Erstens will er Amerika „im Krieg der Terroristen gegen uns“ in der Offensive halten, zwölftens „unseren Ruf in der Welt stärken“. Dazwischen geht es um niedrigere Steuern und geringere Staatsausgaben. „Ich habe schon einmal bewiesen, dass ich es kann“, sagt Giuliani.

Acht Jahre Bürgermeister von New York

Wer daran zweifelt, dem blättert er seine New Yorker Bürgermeister-Bilanz vor. Acht Jahre, in denen die Zahl der Mordopfer ebenso wie die der Sozialhilfeempfänger deutlich sank. Und dann 9/11. Unvergessen die Sätze, mit denen er der schockierten Nation inmitten rauchender Trümmer Mut zusprach: „Wir haben enorme Verluste erlitten, und wir werden sie fürchterlich beklagen, aber New York ist auch morgen noch hier. Es ist hier für die Ewigkeit.“

Allerdings: Der Terrorismus, lange das wichtigste Thema, ist nicht mehr das, was die Bürger am meisten besorgt. Was heute die Schlagzeilen bestimmt, sind Nachrichten über Immobilienkrise, Aktienzitterkurven und Angst vor der Rezession. Nichts, wo sich „Rudy“ als Fels in der Brandung profilieren könnte. Doch den Fehler, schon wieder einen Bewerber vorzeitig abzuschreiben, den wollen die Experten nicht noch einmal begehen. „Alles, was Giuliani braucht, ist ein Sieg im Sonnenstaat“, sagt Susan MacManus, Politikprofessorin an der University of South Florida. „Schafft er das, ist er sofort obenauf.“ (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2008)