DarstellerInnen des Wiener Kindertheaters in einer Szene aus der Vorjahrsproduktion, Goldonis "Der Diener zweier Herren".

Foto: Wiener Kindertheater/Armin Bardel
Das Wiener Kindertheater um Sylvia Rotter hat sich in den vergangenen Jahren über die Wiener Grenzen hinaus einen Namen gemacht: Seit 1996 erarbeitet das Theater jährlich mit über 100 Kindern zwischen fünf und 18 Jahren eine Neuinszenierung der Weltliteratur, wobei es um alles andere als eine Jungtalente-Schmiede geht: Im Wiener Kindertheater genießen die jungen TeilnehmerInnen eine Art "Probebühne des Lebens" – die Freude am gemeinsamen Spiel und die Begeisterung für Sprache und Literatur stehen im Mittelpunkt, gleichzeitig erwerben die Kinder wichtige Fähigkeiten für den Alltag, wie Gemeinschaftsgefühl, Teamgeist, Konfliktbewältigung oder Sprachkompetenz.

Diese Vorteile sollen im Rahmen eines Bildungsprojekts nun auch Kindern außerhalb des Wiener Kindertheaters zugute kommen: In Zusammenarbeit mit dem Wiener Kinderpsychologen Max Friedrich und seinem Team wird Ende Jänner die Initiative "Lebendige Schule" starten. Dabei wird die Methodik des Wiener Kindertheaters in den dritten Klassen zweier Wiener Volksschulen angewandt, die dort gemachten Erfahrungen sollen im Rahmen einer Studie wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.

Sylvia Rotter hat für die Arbeit mit den Kindern ihre eigene Methode, die "Rotter-Methode", entwickelt - eine Kombination aus Improvisation, Rhythmus- und Gruppenübungen, aus Theater, Sprache und Miteinander: "Wir haben festgestellt, dass unsere Theaterarbeit die emotionale und soziale, die sprachliche und motorische Entwicklung der Kinder unterstützt und ihre Persönlichkeit stärkt - das wollen wir nun an Schulen weitergeben", sagt Rotter. Ziel der Studie sei es, einen praktischen Leitfaden zu erarbeiten, der dazu dient, die verbalen und körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen zu fördern, das Interesse und die Motivation am Lernen zu erhöhen und eine "lebendige, kreative und innovative Schule" mitzugestalten.

Vorhang auf im Schulunterricht

Von März bis Mai 2008 werden in den Schulen zweimal wöchentlich während der Unterrichtszeit Theaterworkshops mit Teams des Wiener Kindertheaters abgehalten, die mit einer Aufführung abschließen. Improvisation, Musik und Bewegung, Stimme, Atem und Rhetorik stehen dabei neben dem Theaterspielen im Vordergrund. Vor Beginn der Workshops werden alle 120 teilnehmenden Kinder unter anderem hinsichtlich Konzentration, Wahrnehmung, Motorik, sozialer Interaktion und Selbstwertgefühl psychologisch getestet - die Eltern wurden bei einem Elternabend genau über das Projekt informiert, alle erklärten sich mit der Teilnahme ihres Kindes einverstanden. Die psychologischen Tests werden dann Ende Mai und Anfang Juni erneut durchgeführt, um zu sehen, was sich verändert hat, und die Daten dann bis September 2008 ausgewertet. Im Herbst sollen die Ergebnisse der Studie dann präsentiert werden.

An dem Projekt beteiligt sind die Volksschule Novaragasse in Wien 2 und die Volksschule Esslinger Hauptstraße im 22. Bezirk - eine innerstädtische Schule und eine am Stadtrand. Eine Ausweitung auf weitere Schulen und Altersstufen im nächsten Schuljahr ist angedacht und Termine mit Bildungsministerin und Wiener Stadtschulrätin sind bereits vereinbart, um die Zukunft des Projekts und Finanzierungsmöglichkeiten zu überlegen. "Wir würden uns wünschen, dass das Bildungsprojekt zum Bildungsmodell wird – zuerst gilt es jedoch die Ergebnisse der Studie abzuwarten", so Max Friedrich.

"Was ihr wollt"

Neben dem Projekt führt Sylvia Rotter natürlich den normalen Betrieb des Wiener Kindertheaters weiter. Derzeit wird bereits eifrig für die Hauptproduktion 2008 geprobt: Shakespeares "Was ihr wollt" – so viel sei schon einmal verraten. (Isabella Lechner/derStandard.at, 26.1.2008)