Innen so frostig wie außen - die Iglus am Kitzsteinhorngletscher.

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Foto: icecamp
Auch wenn so ein Iglu dann in Wirklichkeit gemütlicher, kuscheliger und auch romantischer ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Die Sache mit dem "Romantik-Package" sollten sich verliebte Pärchen, die daran denken, eine Nacht auf dem Kitzsteinhorngletscher verbringen zu wollen, lieber zweimal überlegen. Schließlich braucht ein Iglu, um ein Iglu bleiben zu können, gewisse Temperaturen. Innen wie außen. Und da gefrorenes Wasser ab null Grad aufwärts eindeutig dazu tendiert, seinen Aggregatzustand von "fest" in "flüssig" zu verwandeln, ist es auch im Inneren eines Iglus eher frostig.

Um Champagner einzukühlen, ist das super. Dem, was aber dem romantischen Tête-à-tête auf dem Eisbären- bzw. hier Rentierfell bei flackerndem Kerzenlicht gemeinhin folgen soll, könnten Raumtemperaturen zwischen minus drei und plus zwei Grad dann doch im Wege stehen. Außer die Liebe ist noch frisch, feurig und heiß. Und glüht von selbst in jedweder Umgebung. Bloß: Wozu braucht man da ein romantisches Setting?

Und außerdem: In jedem Fall gilt, dass die Schlafsäcke, die die Besucher des Igludorfes auf dem Kitzsteinhorn zur Verfügung gestellt bekommen, ganz eindeutig jeweils nur für eine Person gemacht sind. Nicht einmal Kuscheln geht da drin zu zweit wirklich - und das hat einen guten Grund: Theoretisch könnte man in den Hightech-Schlafbeuteln nämlich noch bei minus 40 Grad gemütlich schlafen. Aber eben nur, weil diese funktionell konstruierte Outdoor-Ausrüstung vor allem den "Leerraum", also das vom Schläfer zu beheizende Volumen, gering hält.

Aber in Wirklichkeit ist die Sache mit der Zweisamkeit ohnehin nur ein Nebenaspekt. Denn wer in einem der sieben Schlafiglus des "Volvo Icecamps" auf knapp 2500 Metern Seehöhe nächtigt, kommt meist wegen des Hauchs von Wildnis und Abenteuer, den eine Nacht in und auf Eis, fernab von Fußbodenheizung, Dusche, Fließwasser und andern Annehmlichkeiten der touristischen Zivilisation, bietet.

Amundsen-Feeling

Verwöhnte, klaustrophobe, frierende oder sonst wie mit den Bedingungen der künstlichen Eishöhlen nicht zurande kommende Städter (Campingklo!) können natürlich jederzeit "in Sicherheit" gebracht werden. Doch auch wenn man weiß, dass - im Extremfall - immer Igludorfmitarbeiter und ein Ski-doo zur Verfügung stehen, fühlt sich der urbane Wintergast hier fast ein bisserl wie der Südpolforscher Roald Amundsen. Oder wie ein Inuit. Vielleicht ja auch wie Reinhold Messner. Oder - in der Früh, bevor man zum Frühstück (und zum Zähneputzen) zur Kitzsteinhorn-Mittelstation abfahren kann - wie der Yeti. In jedem Fall also ein bisserl extrem.

Dabei sind Icecamps wie jenes, das Volvo heuer bereits in der zweiten Saison auf dem Kitzsteinhorn betreibt, längst aus dem Experimentier- oder gar Expeditionsalter heraußen. Im gesamten Alpenraum wachsen heute Incentive-Igludörfer aus dem Schnee, weil das klassische Eisblock-Baustein-Prinzip Grönlands in den 1990er-Jahren von einem Schweizer revolutioniert wurde: Luftgefüllte Plastikblasen werden "eingeschneit", und sobald der Scheehaufen sich gesetzt hat und vereist ist, wird die Luft aus der Blase abgelassen. Die Eisinnenarchitekten können darangehen, die Hohlräume zu gestalten.

Auf dem Kitzsteinhorn entstand heuer so - neben den sieben von bis zu vier Personen nutzbaren Schlafiglus mit jeweils vier Metern Durchmesser - eine geräumige Igluvilla. Insgesamt wurden hier 6000 Kubikmeter Schnee verarbeitet. Tagsüber dienen die vier miteinander verbundenen Kuppeln à 12 Meter Durchmesser dem schwedischen Autohersteller als spektakuläre Repräsentationskulisse mitten im 12.000 Personen fassenden Gletscherskigebiet.

Aber abends, nach Liftschluss, "gehört" das Eisdorf dann eben nur einer Handvoll Gästen, die hier schlafen wollen. Man diniert auf Eisbänken (und auf Fellen), sitzend an einer (Eis-)Tafel, "chillt" tatsächlich an der Eisbar und genießt danach die für Städter geradezu unheimliche Stille der Nacht auf dem Berg: "Manche Gäste", so ein amüsierter Icecamp-Betreuer, "irritiert das Geräusch des eigenen Atems so sehr, dass ihnen das Einschlafen schwerfällt."

Dass man hier auf die dümmste Nebensache des Wintersportes - Après-Ski-Nachtleben - weitestgehend verzichten muss, hat aber bisher noch keinen Besucher gestört. Im Gegenteil: Wenn knapp vor acht Uhr die ersten Liftwarte an ihre Arbeitsplätze gehievt werden, sind Pisten und freies Gelände menschenleer - und unverspurt: Die Besucher aus dem Tal sind selten vor zehn auf dem Gletscher - und wenn sie kommen, sitzen die Igluschläfer längst wieder entspannt im Camp, sehen den Massen beim Wuseln zu und haben eines gelernt: Ein Morgen-"Ride" im staubenden Pulverschnee ist erfrischender als jede Dusche. Und: Manchmal ist sogar romantisches Kuscheln nur die zweittollste Sache der Welt. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Printausgabe/26./27.1.2008)