Jörg Immendorff schon tief im Spätwerk, Agnes und Karlheinz Essl als Lichtgestalten in der Position der Stifter: "In meinem Salon ist Österreich".

Foto: Essl Museum
Und damit das Sammlerpaar Karlheinz und Agnes Essl.
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Klosterneuburg - Die Sammlung Essl zeigt Jörg Immendorff. Zunächst ein Anlass, sich zu erinnern: Jörg Immendorff verstarb im März letzten Jahres. Eines der letzten Fotos zeigt ihn, vom degenerativen Nervenleiden ALS schwer gezeichnet, im Düsseldorfer Atelier vor dem eben noch fertiggestellen Porträt des ehemaligen deutschen Kanzlers Gerhard Schröder.

Angefangen hat alles ganz anders: Bei Joseph Beuys hat er studiert, vom Schamanen aus Krefeld vielleicht das eminent wichtige Politische in der Kunst übernommen. Vor Jörg Immendorffs Zielen, der Ästhetik der Umsetzung ins Bild, seinen Vorstellungen, wie zu unterrichten denn das Beste wäre (die Reibung am Professorengott als quasi natürliches Selektionsprinzip), hat und hätte Joseph Beuys gegraust. Als Student wurde Immendorff von der Düsseldorfer Akademie verwiesen.

Als Professor sollte er 1996 dorthin zurückkommen. Schon 1972 nimmt er, dessen "Ausbildung" nach seinem Rausschmiss autodidaktisch verlief, an der documenta 5 in Kassel teil, fünf Jahre später an der Biennale von Venedig. 1976 kommt es zu einer prägenden Begegnung: Jörg Immendorff lernt den in Dresden lebenden A. R. Penck (Ralf Winkler) kennen. Es beginnt eine nachhaltige und damals höchst ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen einem "Ost-" und einem "Westkünstler". Penck und Immendorff verfassen ein Manifest zur Arbeit als Kollektiv, im Jahr darauf ein Aktionsbündnis, dessen Folge gemeinsame Ausstellungen unter dem Titel Penck mal Immendorff. Immendorff mal Penck waren.

In den späten 1970er-Jahren begann Immendorff mit dem erweiterbaren Bildzyklus Café Deutschland. Im Café platzierte er immer wieder jene Typen, die eben bestimmten, was Sache ist - bzw. ließ er die Akteure in Abwesenheit wirken. Sein Bildpersonal waren die Helden der (Kunst-)Geschichte, die politischen Akteure und Manipulateure, die Malerfürsten von seinem Kaliber. Malerei war bei Immendorf stets gleichzusetzen mit einer Debatte über Malerei. Wenn Bilder von Bildern kommen, dann waren das bei ihm stets Historien-, Moritatenbilder - die im Lauf der Erfolgsjahre immer mehr an Brisanz einbüßten.

Die erregende Aktualität von Café Deutschland setzt sich in der Werkserie In meinem Salon ist Österreich (1995-1996) fort, deren Explosivstoff die prominente Anwesenheit der Sammler Karlheinz und Agnes Essl im Bilde ist. Und wie es sich für anständige Stifterfiguren gehört, besetzen die Essls die beiden Außenflügel, rahmen wohlwollend, was sie so an Künstlern, Dichtern und Köchen gefördert haben (oder das zumindest für sich in Anspruch nehmen).

Und wie im wirklichen Leben auch scheint das Maria Lassnig traurig zu stimmen, sitzt Arnulf Rainer maniriert gestikulierend in der ersten Reihe, nimmt Hermann Nitsch im Seinstaumel vorsichtshalber Nahrung zu sich. Sicher, da lässt Immendorff im Hintergrund den Turm zu Babel blass aufscheinen und eine Eieruhr das Zeitliche des Völlerns signalisieren, aber die hocherregten Nippel der auf das Wesentliche reduzierten, die Tafel üppig dekorierenden Dame stimmen dann doch wieder versöhnlich.

Man ist unter sich, nix kann passieren, die Stifter haben ihren Nimbus dabei. Wie schrieb Karlheinz Essl unlängst in einem seiner Stifterbriefe an den Art-Collectors-Club: " Was bestimmt den Wert des Kunstwerks? Berühmtheit des Künstlers, Rarität, Trend." Allesamt machbar. Und da Machen an sich ja kreativ ist, ist der Macher sich der Teilhabe am göttlichen Schöpfungsakt sicher.

Bleibt, von dieser Serie im Zentrum der Schau abzusehen, und sich den randständig platzierten früheren Arbeiten zuzuwenden: Etwa jenem unbetitelten Bild von 1979, in dem zwei Männer sich von beiden Seiten her mit Blechscheren bewehrt der Stacheldrahtgrenze nähern - kein gutes Bild, aber immerhin eine Ahnung von Immendorffs Glanzzeiten. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 26/27.01.2008)