Wien/London/Basel - In Österreich sorgte in den vergangenen Wochen der Fall einer 19-Jährigen für Diskussionen, die drei Wochen nach einer Teilimpfung aus ungeklärter Ursache verstarb. Doch für die Europäische Arzneimittelagentur EMEA bleibt die Vakzine - auch nach Meldungen eines zweiten Todesfalls in Deutschland - sicher. Es muss nicht einmal der Beipacktext geändert werden. Das stellte die EMEA (London) am Donnerstag nach Beratungen des hauseigenen Expertengremiums (CHMP) fest. Die Fachleute hatten auch über die Meldungen potenzieller Nebenwirkungen aus Österreich diskutiert.

"Die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) hat Berichte über Todesfälle bei Frauen, die Gardasil erhalten hatten, bekommen. Dazu gehörten auch zwei Berichte über plötzliche und unerwartete Todesfälle von zwei jungen Frauen in der EU", hieß es in der Aussendung. Der Impfstoff sei für die Verhütung von Gebärmutterhalskrebs und anderer Erkrankungen durch HPV zugelassen worden. Die EMEA: "Es wird geschätzt, dass bereits 1,5 Millionen Menschen in Europa mit diesem Impfstoff immunisiert worden sind." Das Medikament ist zentral von der EU für die Verwendung zugelassen worden. Nationale Behörden haben hier keinen Einfluss.

Treffen in London

Am Mittwoch und am Donnerstag kam das CHMP-Gremium in London zusammen. An dem Treffen nahm auch ein Teilnehmer als Experte der für die Arzneimittelsicherheit zuständigen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) teil. Weiters wurde den europäischen Experten der Befund der gerichtsmedizinischen Obduktion der verstorbenen Österreicherin geschickt und lag bei den Beratungen vor. Ein hochrangiger Wiener Experte auf Behördenseite erklärte am Donnerstag, in dem Bericht sei klar erkennbar, dass die Impfung mit größter Wahrscheinlichkeit mit dem Todesfall nichts zu tun gehabt hätte. Ein hundertprozentiger Ausschluss dessen sei aber wegen des Nichtvorhandenseins von Blutserum eben nicht möglich gewesen.

Die EMEA: "Die zwei europäischen (Todes-, Anm.) Fälle wurden im Rahmen der ständigen Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln berichtet. Einer kam in Österreich vor, der zweite in Deutschland. In beiden Fällen konnte die Todesursache nicht identifiziert werden. Es konnte kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod der jungen Frauen und der Verwendung von 'Gardasil' hergestellt werden."

Die Schlussfolgerung der Experten: "Auf der Basis der derzeit vorhandenen Hinweise ist das Komitee der EMEA für Medizinprodukte für die Anwendung am Menschen (CHMP) der Meinung, dass die Vorteile von 'Gardasil' weiterhin die Risiken übertreffen und dass keine Änderung der Produktinformationen notwendig sind." Gleichwohl werde die EMEA die Situation weiterhin beobachten, um - so dies notwendig wäre - entsprechende Aktivitäten setzen.

22 Millionen Dosen weltweit

Weltweit dürften bereits rund 22 Millionen Dosen der Vakzine, mit der man 70 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhindern könnte, verwendet worden sein. Ähnliche Meldungen wie nun aus Europa und aus Österreich hat es auch schon in den USA gegeben. Bis zum Sommer 2007 waren dort nach fünf Millionen verimpfter Dosen der HPV-Vakzine 1.637 Meldungen über mögliche Nebenwirkungen registriert worden. Darunter befanden sich auch drei Todesfälle. Zwei davon entfielen auf Gefäßverschlüsse bei Mädchen, welche die "Pille" eingenommen hatten, ein dritter auf eine Frau mit einer Herzmuskelentzündung, welche die Betroffene schon vor der Immunisierung gehabt hatte.

In Österreich haben sich in den vergangenen Tagen sowohl die Gesellschaft der Kinderärzte als auch zahlreiche andere Experten weiterhin für die HPV-Impfung ausgesprochen. Der Präsident der Österreichischen Krebshilfe, der Wiener Gynäkologe Paul Sevelda, hatte einerseits eine rasche Aufklärung gefordert, andererseits aber auch gesagt, man sollte mit der Impfung angesichts der derzeitigen Atmosphäre vorerst abwarten. Auch er erwarte, dass es keinen Zusammenhang mit dem Todesfall gebe.

Wenn Millionen Menschen immunisiert werden, "müssen" - statistisch gesehen - auch immer in deren Umfeld Erkrankungen oder sogar Todesfälle auftreten. Der Chef von AGES PharmMed, Marcus Muellner, erklärte, seine Agentur habe alles getan, um die Sachlage zu klären. In Österreich erkranken pro Jahr rund 550 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, etwa 180 sterben, obwohl es mit der Abstrichuntersuchung eine gute Möglichkeit zur Frühdiagnose gibt.

Praktisch im Gleichklang mit der EMEA hat sich auch die Schweizer Arzneimittelbehörde "Swissmedic" zu der HPV-Impfung geäußert. "Swissmedic sind zur Zeit keine Auffälligkeiten in Bezug auf Nebenwirkungen bei der Anwendung von 'Gardasil' bekannt. 'Swissmedic', wie auch die Behörden anderer Länder und der EU (EMEA), sehen zur Zeit keine Veranlassung, das zugelassene Arzneimittel 'Gardasil' mit speziellen Maßnahmen zu belegen", hieß es auf der Homepage. Aus der Schweiz würden überhaupt nur zwei Meldungen über vermutete unerwünschte Wirkungen vorliegen. Die Behörde: "Beide Meldungen waren nicht schwerwiegend." (APA)