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Es kommt nicht alle Tage vor, dass internationale Nachrichtenagenturen den Geschäftsführer eines Provinzfußballklubs an der irischen Westküste anrufen, um ihn zu großen Finanzthemen zu befragen. Doch der kaufmännische Chef des Galway United FC heißt eben: Nick Leeson.

Der Mann erreichte weltweit Berühmtheit, weil er Mitte der 90er-Jahre eine der ältesten Investmentbanken des britischen Empires, Barings, eigenhändig zu Fall - damals als Wertpapierhändler in Singapur. 860 Millionen Pfund Sterling, heute wären dies 1,15 Milliarden Euro, verjuxte der Finanzjongleur damals, was schließlich zum Zusammenbruch und Verkauf Barings um einen symbolischen Pfund an die niederländische ING-Gruppe führte.

Über den viermal so hohen Schaden bei der Société Générale sagt Leeson der Agence-France-Presse am Donnerstag am Telefon, er sei "nicht überrascht. So etwas musste irgendwann passieren". Ansonsten: kein Kommentar. Normalerweise verlange er auch, schrieb die Süddeutsche Zeitung, für ein Interview 500 Euro - als Spende für Galway United.

Leeson prägte in den 90er-Jahren das Bild vom "rogue trader", vom abtrünnigen, einzelgängerischen Aktienhändler. Er stammt aus einfachen Verhältnissen in Watford, England. Seine Schulleistungen waren nicht gut genug für die Universität, also machte er eine Bankausbildung und zeigte dort Talent für den Umgang mit Geld. 1989 heuerte er bei der altehrwürdigen Barings-Bank an.

Die Erdung verloren

Ein Jahr später schickte Barings den damals gerade 22-Jährigen nach Hongkong. Danach ging es nach Jakarta, wo er seine erste Frau Lisa kennenlernte. 1992 übersiedelten sie nach Singapur. Dort verlor Leeson dann die Erdung. Man nannte ihn "Börsestar", "Hexer", "Mann mit den goldenen Händen", weil er offensichtlich nur Gewinne mit modernen Optionsgeschäften machte, von denen die alten Herren bei Barings nichts verstanden. Was damals auch niemand wusste: Die Verluste versteckte er auf einem Geheimkonto mit der Nummer 88888.

Bis zum Jänner 1995 machte er so weiter. Nach dem Erdbeben in Kobe wettete Leeson auf die Erholung des japanischen Industrie-Index Nikkei. Die blieb aber aus. Leesons Verluste flogen auf. Die 233 Jahre alte Barings Bank, die einst den britischen Feldzug gegen Napoleon Bonaparte finanziert und bei der die Queen ein Konto hatte, war ruiniert.

In seinem Büro hinterließ Leeson den Zettel: "I'm sorry." Seine Flucht über Malaysia und Brunei endete nach wenigen Tagen in Frankfurt, wo die Handschellen klicken. Er wird in Singapur zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er bekam Dickdarmkrebs, Linda ließ sich scheiden.

1999 wurde er wegen guter Führung entlassen. Operation und Chemotherapie zeigten Wirkung. Er lernte die Irin Leona kennen und zog nach Galway, wurde Vater, schrieb ein Buch, ist seit 2005 Fußballmanager, hält Reden auf Bestellung. Mit Wertpapieren handelt der 40-Jährige nur noch auf eigene Rechnung. (Leo Szemeliker, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 25.1.2008)