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Gelungenes Layout, gute Absichten, aber unausgereifte Stellen: Innenminister Platter und Caritas-Chef Landau bei der Präsentation des Integrationsberichts.

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Georg Bürstmayr: "Paradox ist, dass die Existenzsicherheit ausgespart bleibt."

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Tschuldigung, wie bitte? Ah so, Fasching ist. Na dann …“ So in etwa ließen sich die Reaktionen auf Günther Platters Ankündigung der besten, größten und schönsten Integrationsoffensive, die wir je gesehen haben sollen, in vielen NGOs zusammenfassen. An den Spitzen der vielfach (noch) gar nicht in die Diskussion einbezogenen Organisationen und der Opposition herrscht vorsichtige Skepsis, an der Basis, dort, wo die Alltagsprobleme von Fremden in Österreich abgearbeitet werden, vielfach Sarkasmus, ungläubiges Staunen oder Zorn. Die dort gestellte Frage lautet schlicht, was im Sommer wohl zuerst kommt: die Abschiebung des Mädchens Arigona, oder die Präsentation des Integrationsberichtes 2.0 zu Klängen einer kosovarischen Tanzgruppe.

Hinter dieser Pointe stehen Ärger und Unverständnis. Nicht so sehr über die Person, die diesen Bericht präsentiert, sondern darüber, was darin ausgespart wurde: der zentrale Aspekt der Sicherheit.

Rechtlinge Situation

Zehntausende Fremde, die völlig legal nach Österreich gekommen sind, wissen nämlich nicht, wo und in welcher rechtlichen Situation sie sich in sechs oder zwölf Monaten wiederfinden werden. Dazu zählen nicht nur hunderte Ehegatten von Österreichern, die sich wegen einer Gesetzesnovelle ohne Übergangsbestimmungen über Nacht illegalisiert fanden. Wesentlich mehr Nicht-EU-Bürger, deren Aufenthalt in den letzten Jahren noch problemlos bewilligt oder verlängert wurde, müssen derzeit um ihre Existenz zittern, weil die finanziellen Anforderungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht immer höhergeschraubt werden. Das geschieht, nebenbei bemerkt, mithilfe von Papieren des Innenministeriums, die zwar für die Behörden verbindlich sind, der Öffentlichkeit aber noch nicht einmal offengelegt werden – ein Unding in einem Rechtsstaat.

Höhere Anforderungen

Selbst Menschen, die in Österreich geboren und aufgewachsen sind und ihre Aufenthaltstitel nicht rechtzeitig verlängert haben, werden immer wieder ausgewiesen, aus der einzigen Heimat, die sie haben. Davon, dass sogar Babys Adressaten solcher Bescheide sind, wollen wir schweigen. Weil die schwarz-blaue Koalition die fremdenrechtliche Aufenthaltsverfestigung de facto beseitigt hat und auch die SPÖ das nicht ändern kann und will, müssen selbst „Ausländer“ (hier sind die Anführungszeichen notwendig) der zweiten und dritten Generation fürchten, dass sie oder ihre Kinder wegen eines einzigen Fehltritts in die Kriminalität ihre gesamte Existenz verlieren. Die Staatsbürgerschaft schließlich, die laut Politik am Ende einer erfolgreichen Integration stehen soll, auch sie ist mit der letzten Novelle für zigtausende unerreichbar geworden – ohne dass sich an ihren Lebensumständen, also an ihrer bisherigen Integration, etwas geändert hätte. Bloß die Anforderungen sind halt noch weiter hinaufgeschraubt worden. Was sich hier abzeichnet, ist das Gegenteil des jetzt Angekündigten: zunehmende Unsicherheit über Jahre und Jahrzehnte, daraus folgende Desintegration auf allen Ebenen.

Integration in die österreichische Gesellschaft ist kein einseitiger Prozess, sie braucht vor allen Dingen die Bereitschaft derer, die integriert werden sollen, sich auf Land und Gesellschaft einzulassen. Zum Beispiel die Bereitschaft, die deutsche Sprache zu erlernen (wie lang das dauern kann, beweisen uns Parlamentarier immer wieder). Die Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln, wenn es Jobsituation oder Ausbildung der Kinder gebieten, oder allgemein: zu Investitionen in die Zukunft. Investitionen werden aber vernünftigerweise nur dort getätigt, wo ausreichend Grund zur Hoffnung besteht, dass sie sich in Zukunft rechnen. Aus dieser Binsenweisheit des Wirtschaftslebens folgt für die Integrationspolitik die Kardinalfrage nach der Sicherheit.

Lohn der Anstrengung

Wozu sollen Immigranten in Österreich jahrelang lernen, Kredite aufnehmen, Opfer auf sich nehmen, alles im Interesse ihrer Integration, wenn nicht gewährleistet, ja nicht einmal berechenbar ist, ob und wie lange sie die Früchte all dieser Mühen ernten können? Warum sollten Betriebe ihnen Karrierechancen und innerbetriebliche Ausbildung anbieten, wenn sie keinerlei Sicherheit dafür haben, dass diese ihre Angestellten in einem Jahr überhaupt noch beschäftigt werden dürfen? Warum sollten Hausbesitzer schöne Wohnungen an Menschen vermieten, die jederzeit von Abschiebung bedroht sind? Das Paradoxe am jetzt präsentierten Bericht ist, dass genau diese Fragen von genau diesem Innenminister zu beantworten wäre. Für diese Fragen der Existenzsicherheit ist er zuständig, das ist sein Ressort, das ist Fremdenrecht. Und genau das wurde einfach ausgespart.

So lange diese Lücke klafft, ist es gleichgültig, welche Person sie präsentiert, es fehlt allen weiteren Integrationsmaßnahmen an festem Boden. Sie bleiben Luftschlösser, bewohnt von einem Kaiser, der zwar eine schöne Modenschau abgehalten hat, aber – pardon, Ihre Majestät – immer noch nackt ist. (Georg Bürstmayr, DER STANDARD, Printausgabe 24.1.2008)